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Der hohe Preis der Meinungsfreiheit

Beitrag zur Anthologie Zwischen Kommen und Bleiben der Friedrich-Ebert-Stiftung.
10. Oktober 2016

Die Furcht vor Veränderungen ist eine der vier Grundformen der Angst¹. Fortwährende Nachrichten über einen nicht enden wollenden Strom von Flüchtlingen löst sie aus und erdichtet die Flüchtlingskrise. Dabei sollte eher von einer Immigrationskrise gesprochen werden, einer Krise, die durch zu starke Einwanderung entsteht.
Migration hat in der Geschichte der Menschheit immer eine bedeutende Rolle gespielt. Die Staaten der Europäischen Union wären ohne Wanderungsbewegungen in den Vorzeiten nicht denkbar. Die Gesellschaften des gesamten amerikanischen Kontinents nicht. Legt man diese Beispiele zugrunde, wäre die Angst vor Immigration nicht unbegründet. Beispielsweise überlebten nur zehn Prozent der Bevölkerung in Peru die Immigration der Spanier. Der Rest wurde durch gewalttätige Auseinandersetzungen, ausbeuterische Zwangsarbeit und eingeschleppte Krankheiten ausgelöscht. Die Vereinigten Staaten von Amerika entstanden durch rabiate Ausbeutungs- und Siedlungspolitik europäischer Immigranten, bei der die einheimische Bevölkerung, wenn nicht getötet, gewaltsam vertrieben wurde.
Diese Einwanderungen geschahen ausdrücklich zum Zwecke der Eroberung. Die Vernichtung und Vertreibung der Einwohner waren Teil des Plans. Heute indes geht es nicht um Einwanderer, sondern um Flüchtlinge. Sie drängen aus Not und Verzweiflung in die Europäische Union. Flüchten vor Rechtlosigkeit, Hunger, Folter oder Krieg. Ihre eigene Angst vor Veränderung wird von der Aussicht auf Frieden und einer menschenwürdigen Behandlung überlagert, auf die sie bei sich zu Hause die Hoffnung verloren haben.
Ihre große Zahl hat ein Ausmaß angenommen, das berechtigt, sich Sorgen zu machen. Nicht nur über die Gründe ihrer Flucht, sondern auch und zuallererst um das Wohlergehen dieser Menschen. Sorgen darum, ob ihnen, den Verzweifelten und Traumatisierten, zu helfen ist. Ob wir in der Lage sind, diese große Zahl von Flüchtlingen aufnehmen zu können. Zu den Pflichten einer aufgeklärten Gesellschaft gehört, sich in der Not vom Mitgefühl leiten zu lassen, gehört, die Bedürfnisse der Einzelnen im Beistand für die Masse zu lösen. Ein Gebot der Menschlichkeit. Das ist ein hohes Gut und das Recht auf Asyl ist nicht nur das, sondern ein Grundrecht. Personen, denen die Menschenrechte verwehrt und die verfolgt werden, benötigen eine Zuflucht. Diese kann nicht losgelöst werden von tagesaktuellen Situationen, wie einer zu großen Zahl von Flüchtlingen. Die Gefahren, denen beispielsweise Schriftsteller und Journalisten in aller Welt ausgesetzt sind, sind davon auch nicht losgelöst.
Diese Gefahren gab es einst auch bei uns in Deutschland. Auch hier erfuhren Schriftsteller und Intellektuelle Flucht und Vertreibung und was es heißt, Asyl zu suchen oder was es bedeutet, ins Exil gehen zu müssen. In den 1930iger Jahren haben sie ihre Heimat verloren, ihre Freunde und Verwandten zurücklassen müssen und waren in tiefer Ausweglosigkeit verzweifelt. Viele, denen zu fliehen gelang, mussten feststellen, dass sie dort, wo sie eintrafen, nicht unbedingt erwünscht waren. Das kann man nachlesen und mir wurde es in einem anderen Zusammenhang deutlich, als ich in einer vom Holocaust-Museum New-York initiierten Ausstellung Bilder von jüdischen deutschen Wissenschaftlern aus den 1930iger Jahren an amerikanischen Universitäten sah. Alle Kollegen der deutschen Professoren waren schwarz. Es waren die Universitäten der Schwarzen, die um den Rassismus wussten.
Die meisten der deutschen Schriftsteller, die vor Hitler flohen, waren nicht, wie beispielsweise Thomas Mann oder Lion Feuchtwanger, auch international erfolgreich. Aber der Verlust ihrer Existenzgrundlage war nicht das Schlimmste; es war der Verlust der Muttersprache. „... das kontinuierlich in fremden Sprachen Sprechen ermüdet im Geheimen das Gehirn – ich habe immer Angst, die eigene Sprache zu verlernen“, schrieb Stefan Zweig im Jahre 1941 aus dem brasilianischen Exil.
Das originäre Recht auf freie Meinungsäußerung erfordert in der schriftlichen Form meist die Muttersprache. Wer aus seiner Sprachheimat vertrieben wird, kann dieses Recht nur bedingt zurückgewinnen. Neben der Sprache verloren die deutschen Schriftsteller damals Freiheit und Sicherheit. Ihre Flucht begleiteten Not und Ungewissheit. Wie konnten sie den Verlust von Heimat, Sprache, Kultur, von Freunden und Verwandten ertragen? Wie ihre Flucht? Einige zerbrachen daran, wie beispielsweise Walter Benjamin, der sich im September 1940 in einem spanischen Grenzort das Leben nahm. Oder Ernst Toller, Ende Mai 1939 in New York. Oder Stefan Zweig, 1942 in Petropolis, Brasilien, der in seinem Abschiedsbrief hinterließ, seine „Kräfte seien durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft“.
Für deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen ist diese Zeit vorbei. Heute hat „Jeder ... das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern“². Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt weltweit. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat es auf ihrer ersten Sitzung im Jahre 1946 als ein Menschenrecht postuliert.
Im Internationalen PEN gibt es eine Abteilung, die sich Writers in Prison nennt. Ihre Mitarbeiter kümmern sich um die Belange von inhaftierten und verfolgten Schriftstellern und Journalisten. Sie und andere Menschenrechtsorganisationen müssen für den „Prüfstein der Freiheit“, wie die Vereinten Nationen das Recht auf freie Meinungsäußerung bezeichnen, kämpfen, weil Regierungen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen oder nicht dafür sorgen, das Recht zu schützen.
Für eine bestimmte Aktion des Writers in Prison Programms liegt mir eine Liste mit 52 Namen inhaftierter Schriftsteller und Journalisten aus 17 Ländern vor. Sie ist nicht annähernd vollständig, wenn es um die Frage geht, wie viele tatsächlich in Gefängnissen sitzen, nur weil sie sich in ihrer Arbeit auf die Freiheit des Wortes beriefen. Der Deutsche PEN hat aus Anlass des „Tags des inhaftierten Schriftstellers“ die Zahl der im Jahr 2015 inhaftierten Kollegen weltweit auf 900 geschätzt. In derselben Presseerklärung wurde die Zahl der getöteten mit 27 angegeben.
“Du bist ein Atheist, dein Vater war ein Atheist, wir werden dich töten, wir werden dir deinen Kopf abschneiden und ihn in Dhaka an die Statue ‚Gegen Terrorismus’ nageln“. Eine E-Mail mit diesem Inhalt erhielt im Sommer 2015 Ananya Azid, ein junger Blogger aus Bangladesch. Es war nicht die einzige Mail dieser Art. Wie ernst sie zu nehmen war, zeigt die Ermordung von vier seiner Kollegen im selben Jahr. Und die Bluttaten dort nehmen keine Ende, eskalierten gar im April 2016. Zuerst traf es einen 26jährigen Studenten, Blogger und säkularen Aktivisten, danach einen Professor, der ein Literaturmagazin herausgab und wenige Tage später wurde der Herausgeber eines Schwulen- und Lesbenmagazins ermordet. Ananya Azid ist geflohen. Er lebt inzwischen in Deutschland, in Sicherheit. Mehr oder weniger, muss hinzugefügt werden, denn es gibt Drohungen, ihn auch hier bei uns zu töten.
Was es heißt, im Exil zu leben hat er mir so beschrieben: “Ich liebe eine Menge Dinge hier, vor allem, dass ich sicher bin. Aber ich vermisse meine Mutter, meine Familie, meine Freunde, meine Kultur. Die Zeit hier verbringe ich mit Bücherlesen und Schreiben. Dabei merke ich, was ich am meisten vermisse: meine Sprache. Sie ist Teil meiner Kultur und das Exil trennt mich von ihr. Aber immerhin lebe ich und schreibe.”
Ich hatte, im Rahmen des Writers in Prison Programms, nach den Morden an drei Bloggern und bevor ich Ananya Azid kennenlernte, an den Präsidenten von Bangladesh, Abdul Hamid, und die Premierministerin, Sheikh Hasina, geschrieben und gefordert, für die Sicherheit der bedrohten Blogger zu sorgen. Erfolg hatten meine Schreiben nicht, wie ein nachfolgender vierter Mord zeigt. Antwort erhielt ich auch nicht.
Dennoch ist es wichtig, sich entsprechend zu engagieren. Im Fall des in Kasachstan inhaftierten Aron Atabek weiß ich zwar nicht, ob seinen Angehörigen sein neuer Aufenthaltsort aufgrund meines Schreiben mitgeteilt wurde. Aber genau das hatte ich vom kasachischen Innenminister Kassymov gefordert. Atabek, der nach einer Buchveröffentlichung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war, wurde ohne Wissen seiner Angehörigen in eine andere Haftanstalt verlegt.
Die Verfolgung von Schriftstellern und Journalisten weltweit, in China, in Russland, Ägypten, in der Türkei oder in Saudi-Arabien, um nur einige Länder zu nennen, ist beklemmend. Viele werden am Arbeiten gehindert. Ihnen wird ihre Existenzgrundlage entzogen. Manche erleiden Gewalt und Folter und einige den Tod. Die unzähligen Aktivitäten von Schriftstellern und Schriftstellerinnen, von Journalisten und Journalistinnen und von Hilfsorganisationen, die für die Freiheit der Verfolgten kämpfen, sind alternativlos. Wie die Erfahrungen zeigen, sind sie allerdings auch häufig erfolglos. Deswegen bleibt bedrohten Menschen manchmal nur das Asyl. Ananya Azid wäre ohne dieses Asyl wahrscheinlich nicht mehr am Leben.

 

¹
² Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

Die gesamte Anthologie kann hier heruntergeladen werden: library.fes.de/pdf-files/dialog/12857.pdf

Angst und Sterben in Bangladesch

von Gino Leineweber

24.11.2015

“Du bist ein Atheist, dein Vater war ein Atheist, wir werden dich töten, wir werden dir deinen Kopf abschneiden und ihn in Dhaka an die Statue ‚Gegen Terrorismus’ nageln“.

Auf die Blogger-Szene in Bangladesch wurde ich zuerst aufmerksam durch das Programm Writers in Prison (WiP) des Internationalen P.E.N. Bis zum Mai waren in 2015 bereits drei Blogger ermordet worden und viele andere wurden mit dem Tode bedroht. Im Namen des Internationalen P.E.N. schrieb ich Briefe nach Bangladesch. An den Präsidenten, Abdul Hamid, und die Premierministerin, Sheikh Hasina. Unter anderem forderte ich, für die Sicherheit der bedrohten Blogger zu sorgen. Leider ohne Erfolg, denn am 7. August wurde der nächste Blogger von militanten Islamisten – man kann es nicht anders bezeichnen – hingeschlachtet. Sie verschafften sich Zugang zur Wohnung, sperrten die Ehefrau in einen Nebenraum und schlugen mit Macheten so lange auf ihr Opfer ein, bis es tot war.
Ich nahm diesen weiteren Mord zum Anlass, Präsident und Premierministerin erneut zu bitten, dass alle Angriffe und Drohungen gegen Schriftsteller, Blogger und Intellektuelle aufgeklärt werden müssten. Die Verantwortlichen sollten zur Rechenschaft gezogen und alle notwenigen Schritte unternommen werden, um die bedrohten Kollegen vor den Fundamentalisten zu schützen.
Einige Wochen später erfuhr ich, dass es einem der bedrohten Blogger, Ananya Azad, dank einer Initiative der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte gelungen war, nach Deutschland zu fliehen. Ich verabredete mich mit ihm und traf auf einen jungen sympathischen Mann mit gradlinigen Gedanken und starkem Geist in einem fragilen Körper. Ananya ist der Sohn des berühmtesten Schriftstellers und Gelehrten von Bangladesch, des verstorbenen Humayun Azad, der selbst von militanten Islamisten bedroht und attackiert worden war.
Ab 1990 schrieb der Vater Zeitungskolumnen, in denen er sich als Nonkonformist, Agnostiker und Kritiker des religiösen Extremismus einen Namen machte. 1992 publizierte er mit Naari (Frauen) ein Buch, in dem er die männlich-dominierte Gesinnung der Religion gegenüber Frauen nachwies. Es war ein Bestseller, der jedoch drei Jahre später von der Regierung verboten wurde. Die Zeitung The Daily Ittefaq vorveröffentlichte 2003 Humayun Azads neuestes Buch Pak Sar Jamin Sad Bad (Pakistans Nationalhymne), woraufhin er von islamischen Fundamentalisten erheblich bedroht wurde. Während der jährlichen Buchmesse in Dhaka schließlich, der Bangla Academy Book Fair, wurde er überfallen und mit einer Machete schwer verletzt. Er war für 72 Stunden klinisch tot, überlebte jedoch mit knapper Not. Obwohl die Bevölkerung heftig gegen den Anschlag protestierte, schien die Regierung nichts zu unternehmen, die Täter ausfindig zu machen.

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Fear and Killing in Bangladesh

by Gino Leineweber

24.11.2015

“You are an atheist, your father was an atheist, we will kill you, we will cut off your head and nail it on the Statue Against Terrorism in Dhaka”.

My attention to the bloggers’ scene in Bangladesh was first drawn by the International P.E.N. program: Writers in Prison (WiP) in May 2015. At that date, three bloggers were killed by Islamic militants and others threatened with murder. On behalf of International P.E.N., I wrote to the President of Bangladesh, Mr. Abdul Hamid, and to the Prime Minister, Ms Sheikh Hasina. I demanded to take care for the security of the threatened bloggers, but to no avail. On the 7th of August, another blogger was brutally slain—in his own home. Again I wrote and insisted that all attacks and threats against writers and journalists must be vigorously investigated so that those responsible can be brought to justice. Furthermore, I demanded that all necessary actions should be taken to protect writers, whose life is at risk.
Some weeks later I learned that one of the threatened bloggers, Ananya Azad, thanks to an invitation from the Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte (Hamburg Foundation for Supporting Political Persecuted People) is now living in Germany. I made an appointment with him, and met a young and sympathetic man with a body that seemed fragile to me, but with a mind that was straight-forward and strong I found out Ananya was the son of one of the most famous writers and scholars in Bangladesh, the late Humayun Azad, who himself was threatened by Islamic militants.
Not only threatened. In 1990 Humayun Azad started writing columns for newspapers. He always expressed himself as a nonconformist, an agnostic, and a critic of religious extremism of Islam. In 1992 he published a book with the title Naari (Women), in which he criticized the male-controlled attitude of religion towards women. The book became a bestseller, but soon after, in 1995, it was banned by the government. In 2003, after his new novel Pak Sar Jamin Sad Bad (Pakistan's national anthem; The Blessed Sacred Land) was first published by The Daily Ittefaq, he was threatened by Islamic fundamentalists. Moreover, during the annual “Bangla Academy Book Fair”, he was brutally attacked.
Ananya told me that his father was seriously injured with a machete. The doctor in the hospital then said, he was clinically dead for more than seventy-two hours, but luckily survived. Although the people of Bangladesh protested against this attack, nevertheless the government’s reaction showed, as Ananya said, that its members were connected to the war criminals from 1971. At the time of the attack, Bangladesh had a coalition government consisting of Bangladesh National Party (BNP) and Jamaat-e-Islami Party. Jamaat openly supported the war criminals and intends to establish the Islamic law, the Sharia. The government never seriously investigated, who were the attackers. Ananya was saying: “On the contrary. They didn’t do anything to avoid more threatening not only to my father, but to the whole family. At that time I was thirteen, a schoolboy, my two older sisters were university students, but because of lack of safety we couldn’t attend our classes. We even couldn’t go to exam sessions.”

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Menschen wie wir: Flüchtlinge

Rede von Gino Leineweber anlässlich der weltweiten Veranstaltung

100 Thousand Poets for Change

am 26. September 2015 im Rosa-Luxemburg-Garten in Hamburg-Eimsbüttel

Wenn wir in Deutschland über Emigranten sprechen, taten wir das bisher in erster Linie in Bezug auf Türken, da sie die größte Gruppe von Bürgern darstellten, die aus dem Ausland zu uns kamen. Aufgrund ihres unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergrunds, scheinen viele Deutsche Probleme mit ihnen aber auch mit anderen Einwanderern zu haben. Auch für unsere multikulturelle Gesellschaft sind einige Verhaltensmuster und das Auftreten einiger Personen aus den Einwanderergruppen manchmal nicht leicht zu verstehen.
Aber wenn man es genau betrachtet, sind diese Gruppen nicht als Emigranten gekommen. Sie wurden im letzten Jahrhundert von der deutschen Regierung, für anfallende Arbeiten angeworben, für die Deutsche nicht zur Verfügung standen oder die einheimische Arbeitskräfte nicht leisten wollten.
Aber was heute wirklich zählt, wenn es um Emigration geht, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, ist, dass es Tausende und Abertausende von Menschen gibt, die zu uns kommen, weil sie in ihren Heimatländern keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben sehen, weil sie vor Hunger, Folter und Krieg flüchten. Sie finden Deutschland und Europa deswegen lebenswerter als ihre Heimat. Würden in ihren Heimatländern normale Umständen herrschen, würden sie nicht einen Gedanken daran verschwenden, sie zu verlassen. Sie tun es aber, weil sie hier bei uns Frieden und eine menschenwürdige Behandlung erwarten, auf die sie zu Hause die Hoffnung verloren haben.
Sie kommen nicht, um uns unsere Arbeitsplätze wegzunehmen, sie kommen nicht, um unsere Sozialsysteme auszunutzen, sie kommen nicht, um unsere Wohnungen zu bewohnen wollen und sie kommen nicht, um ihre gesellschaftlichen Lebensentwürfe auf uns zu übertragen.
Sie kommen aus Not und Verzweiflung. Sie kommen um sich und ihren Kindern das Leben zu retten. Sie kommen weil sie kommen müssen.
So neu ist das im Übrigen nicht. Die Geschichte der Menschheit ist voll von Emigration und in der Historie gab es dafür sogar einen besonderen Begriff, nämlich den der Völkerwanderung. Und in früheren Jahrhunderten, zeigten sich besonders die Europäer, die heute von Flüchtlingen überrannt werden, als ausgesprochen wanderungsfreudig, und das nicht zum Nutzen der Länder, in die es sie in großer Anzahl gezogen hatte. Seit der Zeit von Christoph Columbus fand eine konstante europäischen Migration in die unterschiedlichsten Gegenden von Amerika statt. Aber zu denen, die heute zu uns, nach Deutschland und Europa, kommen, gibt es einen großen Unterschied: Die Europäer damals kamen nicht aus Verzweiflung auf der Suche nach Schutz und Unterstützung. Sie kamen mit der Haltung von Eroberern. In Süd- und Mittelamerika, besonders in Peru und Mexiko zerstörten sie eine erstklassige Hochkultur, nahmen sich Land und beuteten Bodenschätze aus. Sie unterwarfen die Völker ihrer Herrschsucht, jedenfalls soweit die Ureinwohner nicht bereits getötet oder von Krankheiten, von den Europäern eingeschleust, dahingerafft worden waren.
Mit dem gleichen Ergebnis, das auf überlegenes Mittelpunkt- und Vorzüglichkeitsdenken zurückgeht, wüteten die Europäer in Nordamerika, schlachteten Millionen von Ureinwohnern ab, nahmen ihnen das Land und die Kultur und errichteten einen Staat, in denen die Einheimischen zu Menschen zweiter Klasse degradiert wurden, auch wenn das der eigenen Verfassung widersprach.
In Europa und den neu errichteten Staaten in Amerika werden heute noch – heute noch – die Eroberer als Helden gefeiert und ihre Taten – Mord, Diebstahl, Unterdrückung – als angemessen für die damaligen Herrschaftsstrukturen angesehen.
Heute sind solche Bewegungen wie der Kolonialismus oder Kolonisierung kaum noch denkbar. Auch wenn Menschen aus denselben Gründen wie damals ihre Heimat verlassen, nämlich um ein besseres Leben zu führen oder um Gewalt und Krieg zu entkommen. Sie kommen als Flüchtlinge, nicht als Auswanderer. Sie kommen nicht in erster Linie um zu bleiben. Sie arbeiten nicht nur für sich, sondern meist auch für die Familienmitglieder, die zurückgeblieben sind. Sie haben keine andere Wahl und denken wenig nach über die Folgen der Einreise in ein anderes Land oder eine andere Kultur. Ihnen erscheint, nach allem, was sie erlebt und zur Flucht getrieben hat, alles besser als in ihren Heimatländern zu sein.
Und wir? Wir Europäer, wir Deutschen?
Es besteht eine nicht geringe Angst vor den Folgen einer immer größer werdenden Flüchtlingswelle. Diese Angst ist, als Gefühl betrachtet, auch nichts, wofür sich der einzelne oder die Gesellschaft schämen müsste. Es ist ein normaler Impuls, dass Menschen und Gesellschaften, ihr gefälliges Leben und ihre Traditionen behalten und nicht gefährdet sehen möchten. Und deshalb fürchten viele, das Eindringen einer großen Zahl von Fremden könnte eine Nation wirtschaftlich, kulturell und politisch gefährden. Aber Angst haben auch die Flüchtlinge. Vor der ungewissen Reise, vor der neuen und unbekannten Situation, vor der fremden Umgebung. Bei ihnen können wir darauf schließen, dass sie verzweifelt sind, egal ob sie für sich ein besseres Leben suchen oder auf der Flucht vor der Gewalt und Krieg sind. Wenn aber diese Menschen sich für das Ungewisse entschieden und ihre Angst überwunden haben, können wir ihnen dann unsere eigenen Ängste, die sich auf das Ungewisse für unser eigenes und kollektives Leben beziehen, entgegensetzen? Kann die Angst vor Einschränkungen und Veränderungen bei uns, dazu führen, die Verzweifelten zurückzuweisen?
Nein, selbstverständlich nicht, und das nicht nur, weil es in unserem Grundgesetz verankert ist, Flüchtlingen Asyl zu gewähren, sondern auch aus dem Grund, dass es, was auch immer in verschiedenen Gesellschaften passiert, keinen Weg gibt, um verzweifelten Menschen in aussichtloser Notlage nicht zu helfen. Neben der Angst gibt es nämlich einen anderen Impuls, einen, der uns auszeichnet als Menschen, einen, auf dem die Menschenrechte basieren, einen der die Humanität begründet: und dieser Impuls ist das Mitgefühl. Wenn wir aus Mitgefühl handeln und uns das Mitgefühl bewahren, dann wird es auch unsere Angst vor dem Ungewissen überlagern.

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Brücke der Hoffnung

Auszug aus dem veröffentlichten Essay in der gleichnamigen Anthologie (Hrsg. Emina Čabaravdić-Kamber und Reimer Boy Eilers), Verlag Das Bosnische Wort, 2015

Im Jahre 1463 erreicht Sultan Mehmed II. die Quelle des Buna Flusses und erobert Bosnien für das Ottomanische Reich. Später, im 16. Jahrhundert wird dort ein muslimisches Kloster errichtet.
In 2006 stehe auch ich an dieser Quelle. Bosnien ist damals erst das zweite muslimische Land, das ich besuche. Das erste war Ägypten, genauer gesagt der Sinai, u. z. am 9. September 2001. Ich schaltete, kurz nach meinem Eintreffen im Hotel, den Fernseher ein und kurz nachdem das erste Flugzeug in den ersten Turm des World Trade Centers gestürzt ist.

Inmitten des Sinai, im Norden des Golfs von Akaba, in Sichtweite von Israel und Jordanien, sitze ich danach mit Freunden und diskutiere. „Druck erzeugt nur Gegendruck, Gewalt zieht immer Gewalt nach sich“, sage ich. Gemeinplätze zwar, aber deshalb nicht weniger richtig. Ich bin, nicht nur im Kreise meiner Freunde, relativ allein mit meiner Meinung. Georg W. Bush, der amerikanische Präsident, entscheidet sich für Druck und Gewalt, beginnt den Krieg „Gegen den Terrorismus“ und verstößt in der Folge mehrfach gegen die Menschenrechte.

Die Kenntnis über den Islam in unseren Breiten ist tief geprägt durch Konflikte und Terroranschläge. Die Religion wird von den Verursachern der Gewalt selbst ins Spiel gebracht. Die hilflosen Toleranzbemühungen westlicher Politiker, wenn sie nach Anschlägen von Islamisten erklären, das habe mit dem Islam nichts zu tun, sind gedankenlos daher gesagt und verstärken die Unsicherheit besonders bei denen, die nicht dieser Religion angehören.

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Auszüge aus der Rede zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2015 in der Hauptkirche St. Michalis in Hamburg

Erneut treffen wir uns heute, wie seit vielen Jahren, hier in St. Michaels um der Befreiung der Opfer des Konzentrationslagers Auschwitz zu gedenken.
Es gab gestern und es gibt auch heute, gerade angesichts des 70. Jahrestages der Befreiung aus Auschwitz, viele Gedenkveranstaltungen und es fallen zurecht hehre Worte über dieses Schandmal der deutschen Geschichte, an das die Erinnerung aufrecht erhalten werden muss. Schon allein, damit ein solcher Einbruch der auch heute dünnen Zivilisationsdecke nicht erneut erfolgt. Unwissenheit ist der Nährboden ebenso wie eine importierte Einstellung aus anderen Kulturkreisen, die keiner kritischen Hinterfragung ausgesetzt ist. Wir begrüßen die Forderung, dass jeder Schüler einer deutschen Schule einmal ein KZ besuchen sollte. Dass muss für alle Schülerinnen und Schüler gelten, selbstverständlich auch für diejenigen mit Migrationshintergrund. Und das gilt auch für jede Hamburger Schule. Gerade vor dem Hintergrund, dass es in den vergangenen Jahren im Unterricht in Hamburg, zur Aussparung des Holocaust in einzelnen Schulen gekommen sein soll.

Wir haben hier in den letzten ungefähr 15 Jahren, seitdem wir diese Veranstaltung gemeinsam mit der Hauptkirche St. Michaelis gestalten, Schriftsteller und Schriftstellerinnen eingeladen, aus ihren Werken, die sich mit den Opfern der Nationalsozialisten beschäftigen, zu lesen.
Heute, am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wollen wir an einen von ihnen besonders erinnern: an Siegfried Lenz, von dem wir hier, in dieser Kirche, vor drei Monaten in einer bewegenden Trauerfeier Abschied nehmen mussten. Dieser begnadete Schriftsteller, Ehrenmitglied unserer Hamburger Autorenvereinigung, hat hier, wo ich jetzt stehe, vor genau 10 Jahren mit einer Lesung der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.
Eine traurige Duplizität von Ereignissen, führt dazu, an einen weiteren Schriftsteller zu erinnern, an Ralph Giordano, ebenfalls Ehrenmitglied der Hamburger Autorenvereinigung. Er, der mit Die Bertinis einen der bewegendsten Romane über das Leiden der Opfer des Holocaust geschrieben hat, verstarb zwei Monate nach Siegfried Lenz, am 10. Dezember 2014. Giordano, der hier vor neun Jahren aus seinen Texten las, hat sein letztes literarisches Werk Siegfried Lenz gewidmet. Einen Text zu dessen Tod, mit dem Titel Abbitte. Leider wurde er von den Medien, für die er gedacht war, bisher nicht veröffentlicht. Wir werden aber nicht nachlassen, dafür einzutreten, dass dies noch geschieht. Gerade gestern habe ich erfahren, dass nun das Hamburger Abendblatt plant, dies im März zu tun. Es ist der Monat, in dem sowohl Siegfried Lenz als auch Ralph Giordano ihren Geburtstag haben. Mit Giordanos Text will das Abendblatt an die beiden Hamburger Schriftsteller erinnern, die beide hier, in dieser Kirche, der Opfer der Nationalsozialisten gedachten und mit ihren Werken dafür eingetreten sind, dass man nicht vergisst, was Schreckliches geschehen ist und damit die Grundlage geschaffen haben, dass mit dem Erinnern auch der Anspruch einhergeht, dass so etwas nicht wieder geschehen darf.
Das ist auch der Grund, weshalb wir uns heute hier wieder versammelt haben.

Ich habe hier genau das Buch, aus dem Siegfried damals gelesen hat. Er hatte es mir, im trauten Beisammensein, im Anschluss an unsere Veranstaltung vor 10 Jahren, geschenkt, als ich ihm sagte, dass ich das Buch bisher nicht kannte. Er war erst unsicher ob er es mir geben solle, denn er hatte in dem Buch Streichungen und Bemerkungen zu dieser Lesung vorgenommen. Aber ich sagte, das mache mir nichts aus. Er schrieb mir ein Widmung hinein, und überreichte es mir. Ich konnte nicht ahnen, welchen Wert es eines Tages, nämlich heute, haben würde. Das Buch eröffnet die einmalige Gelegenheit, die Lesung von Siegfried Lenz von vor zehn Jahren noch einmal genauso zu wiederholen.

Das Buch heißt „Ein Kriegsende“.
Die Handlung des Buches spielt Anfang Mai 1945. An Bord eines deutschen Minensuchers in der Ostsee, der aus dem heutigen Lettland verletzte Soldaten bergen sollte, trifft der Funkspruch ein: Die Deutschen haben kapituliert. Der Krieg ist zu Ende. An Bord wird der Kommandant von der Besatzung seines Kommandos enthoben und unter Arrest gestellt. Ist das Meuterei?
Das Buch beleuchtet den Widerspruch von Gehorsam und Verantwortung. Was gilt ein Befehl und hat man einem Befehl in jedem Fall zu folgen? Oder gibt es eine Verantwortung, die der Menschlichkeit geschuldet ist, und die es erlaubt, rechtfertigt oder gar notwendig macht, sich Befehlen zu widersetzen? Die Wachen der Konzentrationslager und die Helfer Hitlers bei der Vernichtung der Gefangenen haben sich immer darauf zurückgezogen, sie hätten nur Befehlen gehorcht. Im Buch von Siegfried Lenz wird die Frage von Befehl und Moral eindrucksvoll beschrieben.

Früh gealtert: 66-jähriger Deutscher PEN feiert 90. Geburtstag

Poets, Essayists, Novelists steht für PEN, eine ehrwürdige Organisation und anerkannte Stimme der Literaten der einzelnen nationalen PEN Gesellschaften, die unter dem Dach des Internationalen PEN-Clubs zusammengefasst sind.

In Deutschland gibt es zwei Organisationen als Mitglied des PEN International, das PEN Zentrum Deutschland und das P.E.N. Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland, abgekürzt Exil-P.E.N. In der gemeinsamen Charta heißt es unter anderem:

Der PEN steht für den Grundsatz eines ungehinderten Gedankenaustauschs innerhalb einer jeden Nation und zwischen allen Nationen, und seine Mitglieder verpflichten sich, jeder Art der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in ihrem Lande, in der Gemeinschaft, in der sie leben, und wo immer möglich auch weltweit entgegenzutreten.

Darauf gründen sich u. a. die Aktivitäten Writers in Prison und Writers in Exile. Sowohl die Organisationen als auch einzelne Literaten setzen sich auf jede mögliche Weise ein für verfolgte und inhaftierte Kollegen und Kolleginnen aus aller Welt.

Als ich die Einladung zur Feierstunde des 90. Geburtstags des Deutschen PEN in Hamburg, erhielt, war ich erstaunt. Zunächst aus persönlichen Gründen, denn ich befand mich nicht auf der Liste der eingeladenen Redner. Ich fragte, wieso ich als Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung und Mitglied im Exil-P.E.N. nicht für einen Beitrag angefragt wurde und erfuhr, dass nur die Mitglieder des Deutschen PEN angeschrieben und gefragt wurden, und das sei ich ja nun nicht. Umso besser, wie sich bei weiterem Nachdenken herausstellte, denn diese Einladung erstaunte noch aus einem anderen Grund.

Der Deutsche PEN wurde 1948 gegründet. Da muss man nicht lange rechnen, um zu merken, dass seitdem keine 90 Jahre vergangen sind. Rechne ich diese Zeitspanne zurück, ergibt sich das Jahr 1924. Sollten die Verantwortlichen des jetzigen Deutschen PEN meinen, dass ihre Organisation im Jahre 1924 gegründet wurde? Davon muss ausgegangen werden, denn in der Tat wurde just in dem Jahr ein deutscher PEN gegründet, der auch tatsächlich Mitglied im PEN International wurde.
Aber, ist der heutige Deutsche PEN damit identisch?

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Tempeleinweihung des Buddhistischen Maha Viahara in Schnerverdingen am 2. November 2014

Eröffnungsrede von Gino Leineweber

Am 21. August 2005 wurde unser Verein gegründet., der Buddhistische Vihara Hamburg e. V., den wir nun umbenannt haben, denn wir haben unser Vihara ja hier in Schneverdingen gefunden. Hamburg passt da nicht mehr in den Namen, weshalb der Verein jetzt Buddhistischer Mara Vihara e. V. heißen wird.

Heute hat sich der größte Wunsch der Sri-Lankischen Gemeinde erfüllt, einen Vihara zu finden, einen Tempel.
Vihara ist die Pali-Bezeichnung für ein buddhistisches Kloster. Es bedeutete ursprünglich "ein abgelegener Ort, in den man hineingeht", und verwies auf ein Obdach, das Wandermönche während der Regenzeit nutzten.
Ein Tempel ist auf vielfältige Weise in das buddhistische Religionssystem eingebunden. Er ist der Ort, an dem rituelle Handlungen ausgeführt werden.

Ein Ritual, das in Tempeln häufig abgehalten wird, ist die Puja, eine Andacht zu Ehren Buddhas. Es werden zwar Rauch, Blumen, Speiseopfer und dergleichen mehr verwendet, aber Buddha lehnte umfangreiche Opfer ab, da sie nichts bewirken würden. Insofern ist es zu verstehen, dass man durch gute Werke (z. B. das Beschenken von Mönchen) Verdienste erwirbt, die auf das eigene Glück auswirken sollen. Das erste Ritual dazu ist DANA. Dana bedeutet nichts anderes als Geben. In Sri Lanka ist es üblich, vor allem Speisen und Kleidung zu spenden. Gespendet wird an Mönche und an Arme und Bedürftige.

Deswegen ist es so wichtig für uns, für diejenigen, die der Lehre des historischen Buddha folgen, für unsere Sri Lankischen Freunde und Mitbürger hier in Deutschland eine Begegnungsstätte zu haben, in der in Meditation und Ritualen die Lehre ausgelebt werden kann. So wichtig, dass es einen Ort gibt, an dem Mönche leben die als spirituelle Helfer und Lehrer wirken können.
Ein Tempel, und auch dieses Haus, ist aber nicht nur ein Ort für diejenigen, die der Lehre des Buddha folgen, sondern auch ein Begegnungsort, der allen Menschen offensteht, und so lade ich auch alle anderen, besonders unsere Nachbarn ein, unseren Tempel zu nutzen.

Buddhismus ist eine Religion – Buddhismus ist keine Religion.
Buddhismus ist eine Philosophie – Buddhismus ist keine Philosophie.
Wer Religion etwa mit ihrem Bezug zum Heiligen, Transzendenten oder Absoluten versteht, wird im Buddhismus keine Religion erkennen können.
Wer allerdings auf den lateinischen Ursprung des Wortes religio zurückgeht, und dessen Bezeichnung als Sorgfalt oder Achtsamkeit versteht, als Einsicht in die relative und die absolute Wahrheit aller Erscheinungen, der wird im Buddhismus eine Religion sehen.

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Explorers, Settlers – Francisco Pizarro and others

Speech on June 30th, 2014 by Gino Leineweber, on the occasion of 80 years PEN Centre of German-Speaking Writers Abroad at the Villa Aurora and USC’s Max Kade Institute for Austrian-German-Swiss Studies, Los Angeles

When we talk in Germany about immigrants nowadays we might, in the first place, think about Turks, as they are the biggest group of citizens from abroad. Because of their different religious and cultural background, a lot of Germans seem to have problems with them. Even for the multicultural society it is at times not easy to understand and respect some patterns of behavior and attitude of some of the immigrant groups. For instance it was the case with building of oversized mosques or, as happened lately, with the visit of the Turkish Prime Minister for his election campaign in one of the major cities of Germany.
But if you look at it closely, these Turks are not even immigrants. In the last century they were invited for work by the German Government, which couldn’t imagine, that these once welcome workers would like to stay. But what nowadays really matters when it comes to emigrants, not only in Germany but also in Europe, is that there thousands and thousands of people who don’t see a chance for a decent living in their home countries.

This follows very much the same pattern as, in earlier centuries, the Europeans showed when they went to America. About that constant European migration since the time of Columbus, I want to speak today. Therefore I choose two regions, Peru in South America and the state of Michigan in the United States. But there then was one big difference: The Europeans didn’t come as underdogs, looking for shelter and support. The Europeans came with the attitude of conquerors, in other words, to take over land or to exploit it.

Already in the middle of the last millennial, an enormous number of Europeans, who were starving in Europe or were at the edge of society, were drawn to the New World, with big hopes for happiness and wealth. Tens of thousands from villages and towns left Spain, after the discovery of America. They were mostly adventurers and desperados, outlaws and criminals. All the scum of failed existences. They were all going for the promised land of silver and gold. No matter how to get at it. The mass was hardly to be controlled by the few soldiers and noblemen. The greed rushes them forward.
In between is Francisco Pizarro, a half-nobleman without land or income that had to shepherd pigs for a living, back in Spain. Still with empty hands, in the New World, in what is called now Panama, he has a vision. The vision of a land of gold. The land is called Peru. He has heard some vague reports of this legendary country where people are eating from plates and drinking from mugs made out of pure gold. He wants to get it all. And he knows, there can be only one to get it all, and he shall be the one.

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What does the poetry today?

Speech by Gino Leineweber on March 3, 2014 in Iskele, Northern-Cyprus at XVI. İSKELE - KIBATEK INTERNATIONAL POETRY MEETİNG

I think the answer to this question depends. You will ask: Depends on what? I am going to tell you: Depends on where you come from.
I am not an expert for what is going on with poetry in every country of the world, but I have some experiences that me taught, poetry here or in Turkey, in the Arabic countries or even in Pakistan, where I have been twice as a poet, has another status as it has in my country, in Germany. And when I take a look on Europe there are differences as well. You will find in the eastern parts more interest in poetry than in the western. As far as I have experienced it. In Lithuania for example, there are two big poetry festivals every year. In this and other countries in the area there are writers they call themselves poets. In Germany no writer, except your truly, will do it, and I, myself, do it only since I have experienced that abroad.

At one of these events abroad, I asked a man, I was introduced to: are you a writer as well. No, he said, I am a poet. I thought, that is nice and then I realized, that is me as well, I am a poet also. Before, a saw myself as a writer.
Lyric poems is one of the oldest, if not the oldest, form of literature expression. For the ancient Greeks, the poet was distinguished from the writer of plays or epics. And over all the centuries, poetry was an important form of literature.
Why did I and others in Germany don’t call them poets any longer? I thought about it, and one of the answer is, the 1968-generation movement. There was a struggle from a new generation against old habits, especially in education and culture, and in Germany as well against silence of the former generation about what happened in the Hitler time. But for us here interesting is, the struggle against the old culture habits that were defined as a niche for the well-educated, rich and powerful people in the country, the elite. Especially the poetry with a lot of forms and combinations, the meter, based on syllables, and stress was in focus. So, to make a long story short: poetry in Germany became to be perceived as a literature form for the elite that the new intellectuals have to avoid for a reason. You won’t find in Germany one of the big publishing houses nowadays that is publishing poetry. When I, a couple of years ago, was looking for a literature agent, I had a couple of contacts due to recommendations of friends. But I got from my expected former agents, always the answer: we don’t do poetry.

On the other hand, there are small publishing houses, where a poet in Germany can publish. Publisher that are really interested in poetry and make wonderful little books. But out of a small circle of poetry lovers, nobody cares. Poetry as the one so fundamental to literary history, is nowadays treated like the obstinate step-daughter, hidden in front of the eyes of the prince by prose, namely crime or fantasy. Isn’t it funny, that it is the fate of step-daughters, because they were mostly the first.

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Auszüge aus der Rede zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2014 in der Hauptkirche St. Michalis in Hamburg

Dieser Gedenktag heute markiert eine Zäsur in der Deutschen Geschichte, und er ist und bleibt wichtig.
Wir als Hamburger Autorenvereinigung betrachten das Erinnern an die Zeit des verbrecherischen Regimes der Nationalsozialisten als eine Art Pflichterfüllung. Ralph Giordano hat uns an dieser Stelle vor 8 Jahren die dünne Zivilisationsdecke, die sich über die Gesellschaft spannt, anhand eines Kapitels aus seinen Erinnerungen aufgezeigt. Für Giordano blieb es ein Trauma, und er räumte später auf, mit dem Image des unpolitischen Fischerdorfes Blankenese und der Stadt Hamburg, die sich, noch lange in der Nachkriegszeit, in Unschuldsbekundungen wiederfand, und nichts gegen das Label einer Arbeiterstadt im Widerstand hatte.
Giordano hat damals ein Beispiel gegeben für die „zweite Schuld“, die Verdrängung der Vergangenheit.
In seinem großartigen Romans „Die Bertinis“ beschreibt er, wie er das berüchtigte Stadthaus erlebt hat, die Gestapozentrale an der Stadthausbrücke. Giordano saß hier wie andere Widerstandskämpfer und Verfolgte in den Folterkellern an der Ecke des Neuen Walls ein. Als wir, die Hamburger Autorenvereinigung, in der Presse vernahmen, dass nach dem Auszug der Baubehörde hier nun ein Luxusquartier, mit exquisiter Einkaufsgalerie entstehen soll, waren wir erschrocken. Sollte das die Antwort unserer Zeit auf die von Giordano beschriebene Vergangenheit sein? Neuauflage der „zweiten Schuld“. Wir schrieben an den Ersten Bürgermeister und baten darum, dass sich ein Ort des Gedenkens in der Planung wiederfinden müsse. Olaf Scholz hat unseren Hinweis sofort aufgenommen, und der Chef der Senatskanzlei, Dr. Krupp, antwortete uns vor wenigen Tagen mit einem Brief. Es wird diesen Ort des Gedenkens dort nun geben mit einer Fläche von immerhin 750 m².
Heute Abend ist mit unserem Ehrenmitglied, Siegfried Lenz, dem Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg, ein Mann anwesend, der ebenso, wie Giordano hier an dieser Stelle und zu diesem Anlass warnend seine Stimme erhoben hat. Ich freue mich sehr, dass Sie heute bei unserem Gedenken wieder dabei sind.

Sie und Ralph Giordano und andere haben hier dokumentiert, wie sehr es unsere Aufgabe als Schriftsteller ist, die Auswirkungen zu beschreiben, die totalitäre Regime und Unrechtssysteme auf die ihnen hilflos ausgelieferten Menschen haben. Wir werden Unrecht nicht erkennen, wenn wir uns nicht damit beschäftigen. Wir haben denen eine Stimme zu geben, denen sie gewaltsam genommen wurde. Wir haben Zeugnis der unschuldigen Opfer abzulegen. Wir haben die Lügen zu enthüllen, auch wenn das Böse sie mit glorreicher Rhetorik kaschiert. Aber wir erinnern nicht nur, und nicht hauptsächlich, an die Gräueltaten, sondern wir gedenken in erster Linie der Opfer. Die Abscheu, die wir den Tätern entgegenbringen und unser Vorsatz, dafür einzutreten, dass so etwas nicht wieder geschieht, weder hier in Deutschland noch sonst wo auf der Welt, wird nicht ausreichen, wenn wir nicht deutlich machen können, wofür wir dies tun.
Alle Opfer der Tyrannei haben es verdient, sich ihrer zu erinnern, sie unsterblich zu machen vor der Welt. Und das tun wir auch hier und heute. Es ist nicht leicht, das ganze Ausmaß der Leiden, die das Nazi-Regime über die Menschheit gebracht hat, zu beschreiben. Dennoch, es ist unsere Aufgabe. Es sind die Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die das Elend der Verfolgten des Holocaust darstellen, die über die Erbarmungslosigkeit von Menschen, die ungehindert Macht ausüben konnten, schreiben und das Undenk- und Unfassbare, sei es aus eigenem Erleben oder aus ihrer Verantwortung verpflichtet, in Worte gekleidet haben.
Wir werden, auch wenn es immer weniger Zeitzeugen gibt, das Gedenken nicht vergessen.

Auszüge aus der Rede zum Neujahrsempfang der Hamburger Autorenvereinigung am 19. Januar 2013

Ein neues Jahr liegt vor uns, und die Diskussionen des vergangenen stellen uns die Fragen für das neue. Brauchen wir noch gedruckte Bücher, brauchen wir noch Verlage, brauchen wir noch ein Urheberrecht.

Für mich hat ein Buch eine andere Energie, wenn ich es in der Hand halte statt die Seiten auf einem Monitor an mir vorüberziehen zu lassen. Dort sehe ich nur wie sich Seite um Seite verschiebt, immer nach dem gleichen Gesetz, nachdem auch das auf der Seite Geschriebene entsteht und vergeht. Ich folge einem Plan, der diese Welt der Zahlen und des Lichts kommandiert.
Nur wenn ich ein Buch in der Hand halte, erfahre ich die Herrschaft der Worte, die eine eigene Welt entstehen lässt. Eine Welt die noch da ist, wenn ich das Buch schließe, eine Welt, auf die sich meine Gedanken richten können, weil sich nicht vergangen ist und eine Welt, die mir verspricht, nur für mich da zu sein.
Durch das Aufschlagen des Buches habe ich meine Träumereien in den Händen und fühle die Kraft der sich entfaltenden Welt.
Ich spreche vom Roman, von der Lyrik, spreche vom Drama, der Komödie, ich spreche nicht von Fach- und Sachgeschichten.
Deswegen glaube ich, dass es Sachbücher in absehbarer Zeit nur noch als E-Bücher geben wird. Aber ansonsten ist die Antwort: wir brauchen Bücher.
Wenn wir Bücher brauchen, dann auch Verlage. Aber keine, die einem Autor erzählen, sein Manuskript passe nicht in ihr Programm, obwohl er es nach Vorschlägen des Lektorats des Verlages überarbeitet hat, keine, die Buchverträge abschließen, sich dann aber nicht daran halten, und dem Autor bescheiden, er möge sie doch verklagen, keine, die als Geschäftsziel eine Umsatzrendite von 20 % oder vielleicht sogar 25 % ausgeben – solche Verlage brauchen wir nicht. Für E-Books sind sie ohnehin nicht mehr notwendig. Was wir an Verlagen benötigen, sind solche, die als Geschäftsziel haben, vernünftige und natürlich auch verkäufliche Bücher zu machen, die sich um einen Autor kümmern, und die in der Herstellung des Buches ein Kunstwerk sehen.
Was wir darüber hinaus benötigen ist ein Urheberrecht, u. z. benötigen wir das alle zum Leben. Erneut ist es das Internet, das die Diskussion belebt, ob das Urheberrecht noch zeitgemäß ist. Nein, sagen einige, selbst politische Parteien wie die Piraten oder die Grünen. Dieses Nein bezieht darauf, dass ein Urheberrecht im Netz nicht durchsetzbar sein soll, da dort jeder herunterladen kann, was er will, und die Verfolgung unrechtmäßigen Handeln schwierig ist. Das wäre allerdings vergleichbar damit, wenn jeder Kunde einen Laden verlassen könnte, ohne zu bezahlen weil die Masse der Diebstähle Polizei und Ladendetektive überfordert. Oder täusche ich mich?
Ein Blick in das Steuerrecht mag den Blick schärfen. Dort wird das Urheberrecht als Immaterielles Wirtschaftsgut bezeichnet. Es ist also etwas bewertbares, etwas, das einen Wert an sich darstellt, und etwas, das einer bestimmten Person oder mehreren Personen gehört.
Ich beantworte daher meine eingangs gestellte Frage mit Ja. Ja wir brauchen Bücher, ja wir brauchen Verlage und ja wir brauchen ein Urheberrecht. Wir als HAV müssen in unserer Arbeit verstärkt daran mitwirken, dass Buch, Verlag und Urheberrecht im Interesse der Autoren und Autorinnen und der Leser und Leserinnen erhalten bleiben.
Das wird nicht leicht werden. Auch wenn wir uns in unseren Zielen einig sind, und ich denke, dass wir das sind, fehlt es doch an einem, an dem es überall in der Kunst fehlt, am Geld. Wir wissen, dass Literatur nicht unbedingt der Liebling in den Massenmedien ist. Doch Aufmerksamkeit ist meist die Gegenleistung, die ein Sponsor für sein Geld fordert, nicht hochwertiges kulturelles Wirken.
Was unsere Vereinigung auszeichnet ist, dass wir nicht nur für die Literatur arbeiten, sondern sie auch lieben, und, dass wir etwas davon verstehen. Und das alles ist nicht abhängig von der Aufmerksamkeit großer Besucherzahlen.
Als Gemeinschaft bieten wir Gemeinschaftsaufgaben.
Wir sind nicht dabei, weil wir freien Eintritt zu unseren Veranstaltungen haben, weil wir unsere Bücher vorstellen können, und nicht nur, weil wir Literatur lieben. Nein, wir sind Mitglieder der Hamburger Autorenvereinigung, weil wir uns zu ihren Zielen bekennen, wir sind Mitglieder, weil wir ihre Aufgaben, von denen ich eingangs einige skizzierte, unterstützen und wir sind Mitglieder, weil wir unsere Präsenz im Kulturleben Hamburgs stärken möchten. Ich bin sicher, dass wir alle uns der Hamburger Autorenvereinigung in dieser Hinsicht verbunden fühlen.

Ich wünsche uns allen Gesundheit und viel Glück für 2013 und viele neue Bücher.

Auszug aus der Rede zum Neujahrsempfang der Hamburger Autorenvereinigung am 21. Januar 2012

Ein neues Jahr liegt vor uns. Das Jahr des Drachens nach dem chinesischen Horoskop. Der Drache, und deswegen wollen wir der Deutung des chinesischen Horoskops gern folgen, ist durchweg positiv belegt. Er symbolisiert Weisheit und Kraft.
Sie können durchaus als Attribute unserer Arbeit gelten. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Hamburger Autoren und Autorinnen Aufmerksamkeit in ihrer Heimatstadt zu verschaffen. Damit unterscheiden wir uns von anderen Literaturvereinigungen, und das muss auch so sein. Denn Literatur ist nicht nur auf Hamburg beschränkt.
Das Hamburger Abendblatt hat über Weihnachten eine Diskussion über die Literatur angeregt, an der Wolfgang Schömel, der Literaturreferent der Kulturbehörde, der Abendblattredakteur Thomas Andre und Rainer Moritz, der Leiter des Literaturhauses, teilgenommen haben. Dabei hieß es, dass wir uns in einer Zeitenwende (Andre) befänden und der Kreis derjenigen, der sich für Literatur im engeren Sinne interessiert, kleiner geworden (Moritz) sei.
Das ist so. Man mag es beklagen.
Aber in einer Zeit, in der Unterhaltung und Zerstreuung so leicht und vielfältig zu haben sind, hat es die Literatur schwer, sich durchzusetzen. Besonders die, um die es uns geht, und das ist nicht die Literatur, die so gar keinen Wert mehr legt auf Poetik, Stil oder Charaktere. Eine Literatur, die oberflächlich ist, und nur der Unterhaltung dient. Ich will das nicht weiter bewerten. Der heutige Buchmarkt ist in Teilen durchaus nachvollziehbar. Verlage müssen, ich zitiere Rainer Moritz „mit ästhetisch satisfaktionsfähigen Titeln seit ein paar Jahren mit erbarmungswürdigen Verkaufszahlen zurechtkommen“. Wenn das so ist, und unser Freund Rainer Moritz wird das wissen, muss man akzeptieren, dass Verlage Bücher veröffentlichen, die ausschließlich, ich wiederhole ausschließlich, vom Marketinggedanken und den Verkaufserwartungen geprägt sind.
Das wiederum hat zur Folge, dass sich das Interesse, nicht nur der Leser, sondern auch des Feuilletons darauf richtet. Fernseh- und Internetpräsenz tun ein Übriges. Da wird dann die Frage gestellt, ob ein Literaturverein, wie die Hamburger Autorenvereinigung, überhaupt noch zeitgemäß sei.
Ich höre diese Frage in letzter Zeit häufiger, auch aus dem Mitgliederkreis.
Würden wir aber versuchen, um zeitgemäß zu sein, mit dem Internet und Fernsehen zu konkurrieren, würden wir unsere Aktivitäten auf Blogs, Twitter oder Facebook verlagern, würden wir uns nur mit denjenigen messen, die das besser können.
Was uns auszeichnet ist, dass wir Autoren und Autorinnen präsentieren, ob sie nun Mitglied bei uns sind oder nicht, die gut schreiben. Und in der Abendblatt-Serie hieß es, dass, wer gut schreibt, auch wahrgenommen wird. Nicht unbedingt in den Massenmedien, aber in Foren, wie beispielsweise auf Veranstaltungen, wie wir sie anbieten.


Kempowski der wegen angeblicher Spionage in der DDR zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt und erst im März 1956 vorzeitig entlassen wurde, hatte es wie gesagt in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schwer, in den literarischen Kreisen der Bundesrepublik Anerkennung zu finden, da die Literaturszene von den inzwischen etablierten 68ern dominiert wurde, die aus ideologischen Gründen ehemalige Häftlinge aus der DDR oft ablehnten. Kempowski entwickelte aufgrund dieser Erfahrungen eine tiefe Ablehnung gegen diese Bewegung.

Anfang der achtziger Jahre begann er, biografische Materialien von „einfachen“ Menschen zu sammeln, indem er Anzeigen in der ZEIT aufgab. Er erhielt Unmengen an Tagebüchern, Briefwechseln, Lebensaufzeichnungen und Fotografien von Menschen aus unterschiedlichen Kreisen und Zeiten. Diese Materialien verwendete er in seinem Hauptwerk Echolot. 1993 verschaffte ihm Frank Schirrmacher durch einen Essay in der FAZ eine erste größere Anerkennung als Schriftsteller, und erwähnte dabei auch das „Echolot“.

InIch erhalte nach unseren Veranstaltungen überwiegend Lob von den Besuchern, und das ist unabhängig davon, ob die Lesungen gut oder schlecht besucht waren. Womit bei letzterem das Bedauern durchklingt, dass nicht mehr Besucher das Vergnügen teilten. Dieser Zuspruch zeigt mir, dass wir wahrgenommen werden, wie wir es uns erhoffen. Wir, das heißt, die Autoren und Autorinnen in Hamburg, die es sich noch leisten zu schreiben. Wer diesen Wahrnehmungen allerdings Aufmerksamkeiten durch Presse, Fernsehen oder Internet gegenüberstellt, vergleicht Äpfel mit Birnen, wie man so sagt.
Natürlich nimmt die Hamburger Autorenvereinigung auch teil an den neuen Medien, und weiß die Vorzüge einer Internetseite und die leichte Erreichbarkeit durch E-Mails zu schätzen. Aber, was wir hauptsächlich machen, ist, unsere Literatur zu vermitteln. Wir sind aber auch nicht der Meinung, es müsse immer alles so bleiben, wie es ist. Deshalb werden wir zukünftig auf unseren Veranstaltungen noch mehr auf den Schreibprozess an sich und die Arbeit der Autoren und Autorinnen eingehen, als bisher. Wir werden uns wieder mehr mit Lyrik, Übersetzungen oder Literaturgrundlagen beschäftigen.
Für unsere Arbeit wünschen wir uns natürlich soviel Aufmerksamkeiten wie möglich, und es könnte durchaus mehr sein. Denn, wie Wolfgang Schömel im Abendblatt schrieb: „Die Macht, die Zelebrität, die Aufmerksamkeit, natürlich auch das Geld sind woanders, nicht bei der Kunst, schon gar nicht bei der Literatur“.
Da hat er Recht.

Im Übrigen wünsche ich uns allen Gesundheit und viel Glück für 2012 und die versprochene Weisheit und Kraft im Jahr des Drachens.

Grösser, Besser, Schöner

Stadt ist Kultur - Ein Plädoyer für Hamburg

In Lesungen und andere Veranstaltungen von Autoren und Autorinnen, auf denen sie sich den Lesern vorstellen, bieten beiden Seiten Gelegenheit, sich lebendig miteinander auszutauschen. Bei den klassischen Vorstellungen von Neuerscheinungen durch Buchhandlungen und Verlage wird meist ein aktueller Bestseller propagiert. Buchverkauf mit anschließender Signatur ist fester Bestandteil dieser PR-Routine. Veranstaltungen der Hamburger Autorenvereinigung (HAV) sind nicht primär geleitet vom Gedanken an den Verkauf von Büchern.

Auch wenn die eine oder andere Neuerscheinung das Programm abrundet, kommt es der HAV nicht auf Aktualität an. Häufig geht es nicht einmal um ein Buch, sondern um Manuskripte und unveröffentlichte Essays oder Kurzgeschichten.

Die HAV finanziert sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Deshalb ist eine hinreichende Zahl von Mitgliedern wichtig. Zurzeit sind es ungefähr 190. Aber Autoren/innen haben selten genügend Geld, und selbst ein geringer Jahresbeitrag kann für manche schon zuviel sein, sodass wir dankbar sind, von der Kulturbehörde Projektmittel zu erhalten. Wir werden allerdings nicht, wie andere, institutionell gefördert. Ich würde mir im Literaturbereich, ähnlich wie kürzlich bei den Privattheatern, eine Ausweitung und Vereinheitlichung der Förderung wünschen.
Als Schriftsteller und Vorsitzender eines Literaturvereins lege ich, wie jeder Künstler, Wert darauf, in meinem Schaffen wahrgenommen zu werden. Im Literaturbereich werden von Medien und Politik jedoch zunehmend „Events“ gefördert. Die Darbietung wird wichtiger als die Publikation selbst. Es scheint, alles muss größer, besser, schöner sein. Und teuer. Das nimmt den einzelnen Autoren beides: Aufmerksamkeit und Geld.

Beispielhaft herausgreifen möchte ich dies: Neben einem bemerkenswert erfolgreichen Literaturfestival, das die Hamburger Literaturszene beteiligt, gibt es seit zwei Jahren ein weiteres, das den Literaturschaffenden Hamburgs nicht dient. Sie stehen staunend vor den unglaublichen Summen, mit denen nationale und internationale literarische Stars zum Lesen nach Hamburg gelockt werden.

Hamburg sei keine Kulturstadt, wird bisweilen geklagt. Können die verantwortlichen Kulturpolitiker der letzten Legislaturperiode so blauäugig gewesen sein zu meinen, dass derartige Großveranstaltungen, die ausdrücklich als Konkurrenz zu ähnlichen Festivals anderer (Kultur-) Städte ins Leben gerufen wurden, daran etwas ändern?

Dabei ist die Literaturszene in Hamburg außerordentlich lebendig. Jeden Abend finden vielerlei Veranstaltungen statt, die weder von der Politik noch den Medien ausreichend gewürdigt werden. Den Medien mag ich das nicht vorwerfen, denn sie stehen unter erheblichem Verkaufsdruck. Wenn jedoch die Politik sich von den Künstlern der Stadt abwendet - und das meine ich ausdrücklich nicht nur finanziell - nur um mit wem und was auch immer von außerhalb glanzvoll mitzuhalten, kann man den Anspruch „Kulturstadt“ getrost vergessen.

Es fehlen dann beispielsweise Geldgeber für eine Kinderbuchmatinee, die an jedem dritten Sonntag im Rangfoyer des Schauspielhauses stattfindet. 2.500 Euro pro Spielzeit. Eine wahrlich geringe Summe für ein wichtiges literarisches Engagement, möchte man meinen, denn das Lesen ist wichtigstes Bildungsinstrument. Doch: kein Event, kein Geld.

Manche mögen angesichts der unglaublichen Sponsorenmittel für Großveranstaltungen der Meinung sein, Literaturförderung sei kein Thema für Hamburger Kulturpolitik. Aber gerade die kulturpolitische Rückendeckung - und eben nicht nur die finanzielle Beteiligung - bewirbt solche Events entscheidend.

Wer Kultur nur noch in Großveranstaltungen fördert, nähert sich dem geringfügig abgewandelten olympischen Rekord-Ideal: Größer, besser, schöner. Dabei wird übersehen, dass Kultur sich nicht zutreffend messen lässt.



Artikel ist erschienen im Buch Stadt ist Kultur - Ein Plädoyer für Hamburg, das für einen Download als PDF zur Verfügung steht unter: www.stadtistkultur.de

Flammende Ignoranz

Vortrag von Gino Leineweber aus Anlass der Gedenkveranstaltung 2010 von Hamburger Autorenvereinigung und VS Verband der Schriftsteller zur Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933

Fahrenheit 451, das ist die Temperatur, bei der Papier Feuer fängt und Bücher sich entzünden, und das ist der Titel eines Romans des amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury. In diesem Buch beschreibt er eine Gesellschaft, in der Bücher verboten sind. Eine als Feuerwehr getarnte Institution, rückt immer dann aus, wenn Bücher gefunden werden, verbrennt sie und verhaftet die Besitzer.

Die Bevölkerung im Roman ist von allem fernzuhalten, was der Gesellschaftsstruktur schaden könnte. Insbesondere von Büchern. Sie bieten andere Ansichten, und erlauben in andere Welten einzutauchen.
Was für den normalen Leser, für den freien Menschen, der Hauptgrund ist, sich mit Büchern zu beschäftigen, nämlich seinen Horizont zu erweitern, ist für diejenigen, die ihrer eigenen Weltsicht zur kollektiven Wahrheit verhelfen wollen, ein Gräuel. So hat es und gibt es in allen Zeiten die Zensur. Eine unerträgliche Situation für jeden Schriftsteller, für jede Schriftstellerin, mit Forderungen konfrontiert zu werden, Teile einer Novelle oder eines Gedichts entfernen zu müssen, um veröffentlicht zu werden oder denen gar ein totales Veröffentlichungsverbot droht. Ein beeindruckendes Zeugnis, wie sich Schriftsteller in unterdrückten Gesellschaften fühlen, lieferte Osip Mandelstam im Jahre 1934 mit seinem gegen Stalin gerichteten Epigramm und den Eingangsversen:
"Wir Lebenden spüren den Boden nicht mehr, / Wir reden, dass uns auf zehn Schritt keiner hört..."

Ohne Bücher gibt es keine Bildung. Bücher regen das Denken an, sie erweitern unsere Vorstellungen. Das Denken der Dichter und Verfasser ergänzt, unterstützt und verändert unser eigenes Denken und damit die Welt, in der wir leben. Denjenigen, die ihre eigenen Vorstellungen, ihr eigenes Denken als allgemeingültig betrachten, und daraus Gefolgschaft herleiten, ist anderes Denken suspekt und muss, aus ihrer engen Sichtweise heraus, unterdrückt werden.

Aber sie sind unwissend, ignorant, wenn sie meinen, sie könnten das Denken anderer steuern, denn: „Die Gedanken sind frei...“, und das nicht erst, seit es in einem Volkslied verbreitet wird. Schon in den Schriften des 12. Jahrhunderts von Walther von der Vogelweide findet man diese Wahrheit, denn um nichts anderes handelt es sich. Wenn aber das Denken frei ist, dann sind es auch die Vorstellungen, und die Zensur zeigt sich als das was sie ist, als Ignoranz.

Das gilt vielleicht in noch größerem Maße für das Verbrennen von Büchern. In diesen Fällen sind die Gedanken der Verfasser bereits bekannt. Hier will man nicht nur verhindern, dass Gedanken und Vorstellungen neu in die Welt gelangen, sondern will sie zerstören. Man glaubt, wenn man ihre Bücher verbrennt, würden auch die Gedanken der Intellektuellen verbrannt, würden auch die Vorstellungen, die Welten, über die geschrieben wurde, die Visionen, die Beschreibungen von Elend und Leid, von Glück und Gewinn und die Gefühle verbrannt, die zu all dem geführt haben. Wie dumm, wie ignorant.

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FLAMING IGNORANCE

Speech of GINO LEINEWEBER on the commemoration of the event of the book burning on the 10th of May 1993. The commemoration was organized by Hamburg Writers’ Association and VS Association of Writers in 2010.

451 Fahrenheit is the temperature at which paper starts burning and books catch fire. Fahrenheit 451 is also the title of a novel by an American writer Ray Bradbury. In the novel Bradbury gives a picture of the book banning society. He describes how one of the institutions, disguised under the image of fire brigade, marches out to find the banned books, to burn them and arrest the owners of he books. In the novel, the public is pictured as being kept away from any information that might prevent this deed, from anything that might prevent destroying literature with differing points of view and depths of unfamiliar worlds.
For those who are determined to turn their point of view into the unquestionable and total collective truth, the role of a book--as broadening horizon of a reader-- is a horror.

Thus, in all historical times there had been censorship cases - this unbearable situation for any author when he or she is demanded to remove a part of a story or of a poem under the threat of not being published or, worst, banned forever. An impressive example of how writers feel in societies of oppression, is life of Osip Mandelstam after in one of his opening verses in 1934 he inscribed the famous Stalin’s epigram full of criticism towards the dictator:
" We are living, but can’t feel the place we live in, / More than ten steps away no one can’t hear what we say...".

Without books there is no education. Books stimulate creativity and expand our possibilities of representing the self. The written thought of a poet or a writer might change, secure and enrich our ways of thinking as well as the world we are living in. Those who consider their ideas or ways of thinking as the absolute truth and derive their actions from it, look at a different thinking with suspicion and try, because of their narrow-mindedness, to suppress the difference. But they are naïve to believe they could control the thinking of others because "thoughts are free...," and not only because the popular folksong says so. Already in the 12th century German poet Walther von der Vogelweide mentioned this idea in his writings. When thoughts are free, the representations are free as well, and censorship cannot do anything.
This counts for books burning as well. In all of these cases the ideas of authors already have life of their own. The purpose of book burning though is not only to prevent thoughts and ideas going public, but to eliminate them. It is believed, that with the burning of the books the ideas would also be burned. Perhaps it is believed that the ideas would be destroyed along with the worlds that had been created, the visions, the pictures of misery and suffering, of happiness and wealth. This is shortsightedness.

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Zuflucht im Buddhismus und
in der Literatur

Das Interview führte Dagmar Seifert

Gino Leineweber: das könnte man für ein geschickt gewähltes Pseudonym halten, nicht weit weg von Tonio Kröger, als Andeutung der Verquickung von romanischer Kreativität und nordischer Pragmatik. Doch das stand schon auf seinem Türschild, als er noch die wirtschaftlichen und steuerlichen Probleme seiner Mandanten auseinandersortierte, ganz bürgerlich kurz gestutztes Haar trug und die dazugehörigen seriösen Anzüge.
Inzwischen ist er auch äußerlich in den klangvollen Namen hinein gewachsen: mit silberner Löwenmähne, die an Franz Liszt oder die Brüder Grimm erinnert, das Outfit dezent-malerisch, gern mal mit Stehkragen oder Lederhosen (langen, versteht sich!)

Jetzt ist er Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung und eine Menge mehr. Beispielsweise Mitglied des Kuratoriums der Hamburgischen Kulturstiftung. Oder– und das erklärt auch, weshalb er ein kleines Holzkettchen um’s Handgelenk trägt und warum sein freundliches Katzengesicht mit den breiten Wangenknochen meist so wolkenlos heiter schaut - Vorsitzender des Buddhisten Vihara Hamburg e.V.
Außerdem webt Gino Geschichten. Kurzgeschichten für verschiedene Anthologien, einen Band mit mystischen Erzählungen sowie eine Novelle über den Conquistador Pizarro. Er liest viel und gern vor, nicht nur Selbstverfasstes, mit ruhiger, trockener, norddeutscher Stimme: eine Klangfarbe wie friesischer Tee.
Lyrik schreibt er auch – aber dazu kommen wir noch…

Was fällt einem überaus erfolgreichen Steuerberater ein, der eines Tages die eigene Praxis verkauft, um fortan als freier Künstler zu leben? Der gleichzeitig aus heiterem Himmel gewissermaßen ‚aktiver’ Buddhist wird?
1998 – da war er immerhin bereits Mitte 50 – machte sein Lebensweg plötzlich diesen scharfen Knick.
„Na, so plötzlich war das gar nicht!“, protestiert Gino. „Ich hatte mich mein Leben lang für Literatur interessiert. Ja, und für Philosophie. Die Richtung, die mir am besten gefiel, war der Stoizismus, der ist ja dem Buddhismus einigermaßen verwandt, wenn auch natürlich nicht so spirituell: das Ziel bei beidem liegt im Gleichmut. Über die Meditation kam ich zur buddhistischen Lehre. Ich hab mich dann immer intensiver damit beschäftigt und bezeichne mich – ja, ziemlich genau seit 2001 - als Buddhist.“

Dagmar Seifert (DS): Warum seitdem? Was muss passieren, damit man sagt: Jetzt bin ich einer - ?

Gino Leineweber (GL): Also es gibt ja keine Taufe oder so was. Aber etwas, das nennt man ‚Zuflucht nehmen’, beim Buddha, der Lehre und in der Gemeinschaft der Buddhisten. Da gibt es auch bestimmte Rituale, die man machen kann – aber nicht zwangsläufig machen muss… Die hab ich übrigens nicht gemacht. Ich hab mich auf den Weg eingelassen, den achtfachen Pfad, der beinhaltet, dass man verschiedene Tugenden lebt. Und genauso hab ich mich, wenn man so will, auf den Weg des Schriftstellers eingelassen. Denn das Bedürfnis, die Sehnsucht, zu schreiben, war auch schon immer in mir. Ich hab als junger Mann auch bereits dies und das verfasst. Aber im Grunde war nie richtig Zeit dazu, ich war ja beruflich enorm eingespannt.

DS: Wieso eigentlich gerade im Beruf des Steuerberaters, der so trocken und unkreativ anmutet, das genaue Gegenteil vom Künstler-Dasein?

GL: Oh, auch das hat mich immer sehr fasziniert. Ich liebe Zahlen, ich hab ein besonderes Verhältnis zu Zahlen, obwohl ich vielleicht in Mathematik gar nicht so überragend gut war. Aber ich kann prima ordnen und strukturieren. Als Steuerberater kann man tatsächlich anderen Menschen enorm helfen, das ist auch etwas Schönes. Ich hab teilweise wirklich wahnsinnig viel für meine Klienten rausholen können und bin dafür auch sehr gelobt worden. Und trotzdem, die Sehnsucht nach dem Schreiben war ständig da, stand wartend im Hintergrund. Ich wusste immer, dass ich das eines Tages machen würde. Das ist mir übrigens mal ganz früh geweissagt worden, aus meinem Horoskop: dass ich in der ersten Hälfte meines Lebens das Äußere ausleben würde und in der zweiten Hälfte das Innere. Später hab ich mich selbst mit Astrologie beschäftigt und konnte diese Tendenz anhand der Daten nur bestätigen.

Vielleicht bestimmte ihn auch ein Gefühl der Verpflichtung, ganz solide und ohne Seiltanzerei anzufangen? Der kleine Gino, 1944 in Hamburg geboren, stammte schließlich aus einer Kaufmannsfamilie. Großvater Leineweber besaß ein Lebensmittelgeschäft im Stadtteil Hamm, Vater Leineweber übernahm das später. Vielleicht hätte man gern gesehen, wenn der Enkel dieser Tradition gefolgt wäre? Er machte sehr viel größer Karriere; seine Praxis lag in der feinen Hamburger Johnsallee und beschäftigte ‚zum Schluss noch’ acht Angestellte. Die durften mitentscheiden, wer schließlich neuer Besitzer wurde:

GL: „Die Kollegen lagen mir ja am Herzen, die waren teilweise seit langer Zeit dabei. Eigentlich wollte ich mit fünfzig aufhören, zwei Jahre später wäre da ein Interessent gewesen; aber mit dem waren meine Mitarbeiter nicht so glücklich, deshalb hab ich weiter gesucht und die Praxis erst ’98 verkauft. Übrigens an meinen langjährigen Assistenten, dem gehört sie immer noch."

Es gibt freischaffende Künstler die, wie Richard Wagner (wenn auch vielleicht nicht ganz so genial) erwarten, ‚die anderen’ müssten ihnen ihren Lebensunterhalt irgendwie finanzieren, damit sie schöpferisch tätig sein können.
Gino Leineweber hat mit Fleiß und Hingabe seine Schäfchen allesamt ins Trockene gebracht, sitzt seelenvergnügt auf einem Riesenberg hochwertiger Wolle – bzw. in einer bildschönen, geschmackvoll eingerichteten Wohnung mit erstklassiger Adresse – und kann jetzt kreativ loslegen, so erfolglos oder ruhmreich, wie das Schicksal es will und ohne irgendjemand auf der Tasche zu liegen oder auf die Nerven zu fallen.

Leineweber verbindet gern das Autorendasein mit dem Reisen. Kürzlich war er bei einem internationalen Schriftstellerkongress in Islamabad, er hat am Buchprojekt ‚Und Bosnien, nicht zu vergessen’ (herausgegeben von Emina C. Camber) teilgenommen, das aus einem schriftstellerischen Workshop in Sarajewo entstand und ihn sehr begeistert hat:

GL: „Das war das erste Mal, dass ich an so was teilgenommen habe und es war in jeder Weise niveauvoll und erfreulich. Zuerst musste ich mich allerdings richtig überwinden, um mich mit meinen Ideen und meinen ersten Zeilen vorzustellen. Aber dann hab ich schnell gemerkt, wie sehr fair und sachlich damit umgegangen wurde, einfach konstruktiv. Und ich konnte mich ja ebenso dazu äußern, was die anderen schrieben.“

DS: Das war vor ungefähr vier Jahren?

GL: „Und wird erfreulicherweise dieses Jahr wiederholt, wir fahren im Juni wieder auf die Halbinsel Peljeschatz. Übrigens handelt es sich bei dieser Form des Schreibens um etwas, das mich in der Zukunft mehr und mehr beschäftigen wird, auch und gerade in Bezug auf die Hamburger Autorenvereinigung. Wir denken darüber nach, im nächsten Jahr in die Türkei zu reisen. Irgendwie muss sich die HAV ja nicht in Lesungen erschöpfen, ich sehe gar nicht ein, wieso das ein reines Veranstaltungszentrum sein soll. Gerade hier wären Workshops wunderbar: man reist irgendwo hin, arbeitet gemeinsam und trägt das auf Lesungen vor! Denkbar wäre auch, dass ein Autor über seine Schriftstellerei redet, erklärt, wie er schöpferisch tätig ist und mit anderen darüber diskutiert. Das ist viel lebendiger und sinnvoller als reine Lesungen und eine hervorragende Art, die Literatur wieder dahin zu bringen, wo sie hingehört, nämlich ins Literarische.“

Ja, und dann macht Gino Leineweber eben auch Lyrik. Es gibt eine CD in zartem Hellblau mit Dünengras auf dem Titel, in der er selbst seine 52 Texte aus den Zyklen ‚Jahreszeiten’ und ‚Von mir, von dir, von Allem’ spricht, mit seiner ruhigen, trockenen, norddeutschen Stimme.
Ihm sei, meint er bedauernd, von anderer Seite aus dem Literaturbetrieb gesagt worden, seine Lyrik sei nicht zeitgemäß, weil erzählend und nicht so ‚verknappt’, wie sie aktuell zu sein hat.

Es muss ja an mir und meinem Mangel an zeitgemäßem Kunstverständnis liegen. Aktuelle Lyrik, Verzeihung, ist mir oft zu schwabbelig und nimmt sich selbst so schrecklich ernst. Die von Gino Leineweber mag ich. Von mir aus ist das altmodisch – es erinnert bei einigen Pointen geradezu an Wilhelm Busch oder Heinz Ehrhard, verschmitze Lyrik:

Wenn Wasser
mit Wasser
sich begegnet,
was denkt
das Meer dann,
wenn es regnet?


Dann enthalten die kleinen Texte wieder Landschafts- und Wetterportraits, bei denen ein Hauch Detlev von Liliencron zu schnuppern ist, sinnliche Lyrik:

Kein Wind.
Fast sommerliche Wärme.

Leicht entsteigt Nebel
aus den Ebenen der Marsch.

Ein eigenartiges Glück
ruht auf der Erde.

Ein besinnlicher Abend –
es muss ein Herbsttag sein.


Letztendlich schlägt der Gino hier den Bogen zum Leineweber, vom Sensibel-Künstlerischen zum Handfest-Praktischen, da begegnet der Buddhist dem Kaufmannssohn, sympathische Lyrik:

Sei nur.
Ein Sein im Sein.
Einsein.

Ich bin ein Mensch.
Muss mich bewegen.
Wenn ich nur bin,
das ist mir kein Leben.


Also, ich kann mir nicht helfen, mir gefällt das!

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Refuge in Buddhism and Literature

This Interview was published in KULTURPORT | Interviewer: Dagmar Seifert

Gino Leineweber, that name could be a clever chosen pseudonym, not far away from Tonio Kröger, as a suggestion of the combination of Roman creativity with Nordic pragmatics. However, it was already on his door sign, when he was still sorting through economic and fiscal problems of his clients, with plain short hair, and wearing adequate reputable suits. Meanwhile he has been grown into the illustrious name outwardly as well: with a silver mane that reminiscent of Franz Liszt or the Brothers Grimm, and the outfit subtly picturesque, sometimes with stand-up collar or leather pants (long, of course!)

Now he is chairman of the Hamburg Writers Association and a lot more.
For example, a member of the Board of Trustees of Hamburg Cultural Foundation, or - and this also explains why he wears a small wooden chain around his wrist and why his friendly cat-like face, with broad cheekbones, looks usually unclouded serene - Chairman of the Buddhist Vihara Hamburg.
And Gino is now weaving stories, short stories for various anthologies, a book of mystical stories and a novella about the conquistador of Peru, Pizarro. Gino also likes to read a lot, not only self-written, with his calm, dry, and north German voice, and a timbre like Frisian tea. Plus, he is writing poetry - but we'll get more of it later.

What occurs to a very successful tax consultant whom one day sells his own practice to change into a freelance artist, and kind out of the blue, became a Buddhist simultaneously?
1998 - he was already in his mid 50 - his life took this sudden sharp change.
"Well, that wasn’t so suddenly!" protested Gino. "I was interested in literature my whole life. Yes, and in philosophy. The part, which I liked best, was stoicism that is related to Buddhism somehow, although without that spiritual aspect of course. However, the goal for both is in equanimity. Starting with meditation practice, I came to the teaching of Buddha, and have been involved in studying since. Some day in 2001 I was ready to call myself a follower of the teaching of Buddha, so to say a Buddhist.

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Neujahrsfeier der Sri Lankische Gemeinde in Hamburg
am 17.04.2010

Eröffnungsrede von Gino Leineweber

Der heutige Name Sri Lanka für das Gebiet der Insel Ceylon, ist hergeleitet aus dem Sanskrit und bedeutet sri = ehrwürdig und lanka = Insel, also auf Deutsch: Die ehrwürdige Insel. Einmal im Jahr allerdings geht es auf Sri Lanka nicht sehr ehrwürdig zu, sondern sehr ausgelassen. Das ist zur Zeit des Sri Lankischen Neujahrsfestes. Neujahr fällt entweder auf den 13. oder 14. April eines Jahres, abhängig vom Stand der Sterne. Immer dann, wenn die Sonne vom Sternzeichen Fische in das Sternzeichen Widder übergeht, beginnt für die Bewohner von Sri Lanka das neue Sonnenjahr. In seiner gesellschaftlichen Bedeutung ist das singhalesische Neujahrsfest mit dem Weihnachtsfest hier bei uns in Deutschland vergleichbar. Es wird von allen Bewohnern, egal welcher Religion sie angehören, gleichermaßen gefeiert.

Mindestens eine Woche steht das öffentliche Leben still. In dieser besonderen Zeit ist Arbeit verpönt. Familienbesuche rücken in den Mittelpunkt. Es wird gespielt und gefeiert oder man begibt sich zu Gebet und Andacht in den Tempel. Es ist auch die Zeit für einen allgemeinen Neubeginn, und damit dem Neujahr bei uns vergleichbar, bei sich die Menschen immer etwas ganz Besonderes für das neue Jahr vornehmen (und es dann meistens nicht einhalten).
Für Buddhisten, oder besser gesagt Menschen, die sich der Lehre Buddhas verschrieben haben, scheint der Begriff Neubeginn auf den ersten Blick unangebracht zu sein. Ist man doch schon länger auf dem Pfad und weder sieht man eine Notwendigkeit etwas Neues zu beginnen noch einen Anlass dazu. Betrachten wir jedoch unseren Weg genauer, dann werden wir sehr schnell feststellen, dass er immer wieder Anlass für einen Neubeginn bietet. Das fängt bereits in der Meditation an: Wenn man sich hat ablenken lassen, dann beginnt man mit der Übung von vorn. Im täglichen Leben geht es dann weiter mit dem Verhalten, von dem wir sicherlich nicht immer sagen können, dass es unseren Vorstellungen und der Lehre des Buddha entspricht. Auch hier ist jedes achtsame Erkennen davon gleichzeitig ein Neubeginn. Aber selbst wenn wir in aller Achtsamkeit den Buddhapfad entlang wandeln, schadet es nicht, immer wieder innezuhalten. Und das tun wir auch zu unterschiedlichen Gelegenheiten, zum Beispiel wenn wir uns, wie heute, treffen. Dann ist das auch immer wieder ein Neubeginn unserer Hinwendung zu den drei Juwelen: Buddha, Dhamma und Sangha.

Deswegen ist ein solcher Feiertag besonders geeignet, sich dieser Hinwendung wieder einmal bewusst zu werden. Das können wir mit der deutschen Tradition der guten Vorsätze verbinden, und ich denke, dass es in der heutigen Zeit angebracht wäre, sich vorzunehmen, die Kraft des Mitgefühls in den Mittelpunkt unserer Gedanken und Aktivitäten zu stellen. Es gibt so viel Leid auf der Welt, täglich sterben Menschen in kriegerischen Kämpfen, Auseinandersetzungen auf allen Gebieten des menschlichen Zusammenlebens führen immer wieder zu Leid und Sorge.

Dies alles ist nur darauf zurückzuführen, dass wir den inneren, den spirituellen Blick auf die Wahrheit verloren haben oder ihm keine Beachtung schenken. Wenn wir uns nur auf der materiellen Ebene bewegen, haben wir die geistige Ebene verloren. Auf der materiellen Ebene werden wir immer wieder mit der Unvollkommenheit konfrontiert und dem Verlangen, diese zu überwinden.
Nur auf der geistigen Ebene erheben sich Einsichten auf eine stofflose spirituelle Beschaffenheit und auf die Mystik die das Mysterium des Universums und das Schauspiel der Natur veranschaulichen. Hier erleben wir unsere Unzulänglichkeit, als ein Teil des Seins. Was auf dieser Ebene veranschaulicht wird, verweist auf Metaphysisches, das heißt immer auf die Innenwelt, und dieses Empfinden ist kollektiv, das heißt, es betrifft uns alle. Nicht nur uns, die wir hier sind, sondern alle Wesen dieser Welt. Im Spirituellen erleben wir alle eine einzige Wahrheit und jedes Individuum nimmt die kollektive Wahrheit für sich selbst wahr. Sie ist in jedem enthalten. Zum Mitgefühl gehört, dies im anderen zu erkennen. Jeder Mensch muss, und ist nur selbst in der Lage dazu, die in ihm wohnende Wahrheit wahrzunehmen. Indem ich jedem Nächsten dieselben Potenziale zugestehe wie mir selbst, bringe ich ihm den notwendigen Respekt entgegen und schütze meine eigenen Wahrnehmung davor, von ihm abgelehnt zu werden.
Auf der kollektiven Ebene der Wahrheit sind wir alle vereint, ob es uns bewusst ist oder nicht.
Das ist die Grundlage für das Mitgefühl. Die Ablehnung anderer Wesen, anderer Menschen ist ohne Mitgefühl. Das Annehmen nimmt nicht nur den anderen an, sondern damit gleichermaßen uns selbst.

Ich finde es ist ein guter Vorsatz, nicht nur für das neue Jahr, sich dessen immer bewusst zu sein. Wer Mitgefühl empfindet, handelt heilsam nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst.
Ich wünsche allen im Namen des Buddhistischen Vihara ein glückliches Neues Jahr.

Mystik und Wahrheit

Essay veröffentlicht im Einzelband der Sammlung Leben, Liebe, Zeit und Vergänglichkeit
(Hrsg. Anna Bardi)

Wir wissen nicht, ob sich bereits zu Beginn im menschlichen Charakter des modernen Homo sapiens die Neugier entfaltet hat. Aber, zu irgendeinem Zeitpunkt war der Punkt erreicht, an dem sich der Mensch nicht mehr mit den Erscheinungen zufrieden gegeben hat, sondern wissbegierig Fragen stellte. Von jenem Zeitpunkt an will er wissen, wer er ist, woher er kommt und wohin er geht. Ab jetzt sucht er belegbar nach den Ursachen. Auf der materiellen Ebene indes findet er sie nicht. Aber der Mensch verfügt über eine weitere Ebene, die geistige, und hier findet er, wonach er sucht. Die Antwort auf seine eigene Unzulänglichkeit im Sein.

Entrückt von materiellen Grenzen, erschließt sich ihm, auf der Ebene geistiger Energie, eine Überwirklichkeit. Aus der Leuchtkraft seiner innergeistigen Ebene heben sich die Einsichten über das Funktionieren des Seins empor, und lenken den Blick auf eine stofflose göttliche Beschaffenheit. Aus ihr erschließen sich die Ansichten, auf welchen Plan die Welt sich stützt.
Diese Ansichten nennen wir Mythologien. Lokal unterschiedliche Erklärungen, die das Mysterium des Universums und das Schauspiel der Natur veranschaulichen, wie es die Augen erblicken und der Verstand es erfasst. Sie erläutern das Wirken der Naturgesetze, die Erscheinungen von Sonne, Mond und Sternen und beantworten die Frage nach dem Entstehen des Lebens.
Seine Wahrnehmungen kleidet der Mensch in Bilder, die er der materiellen Welt entlehnt, und überträgt sie in konkrete Begriffe, unter denen er sich etwas vorstellen kann.

Die Bedeutung der bildhaften Sprache ist, einer Traumdeutung gleich, die innergeistigen Zustände zu verstehen, weshalb die Gottheiten als lebendige Wesen dargestellt und überall als die Benennung des Geistigen, das die sichtbare Welt durchdringt, aufgefasst wurden und teilweise heute noch werden. Die Bilder der Mythologien sind Metaphern.
Diese mythischen Motive der Metaphern bezeichnet C. G. Jung als Archetypen des kollektiven Unbewussten. Nach dieser Auffassung entstammen Mythen und Träume einer einzigen psychophysischen Quelle, der menschlichen Imagination, und sie sind vom widerstreitenden Drängen der Organe des menschlichen Körpers bewegt, insbesondere des Gehirns.

Das bildhafte Geschehen, das einer innergeistigen Ebene entspringt, lässt sich, wie C. G. Jung es ausdrückt, auf der sogenannten Subjektstufe erfassen. Das bedeutet, dass einzelne Wesen nicht als Individuen zu verstehen sind, seien es Götter, seien es Menschen, seien es Tiere oder seien es Fabelwesen, sondern nur als personifizierte Teilfunktion der höheren psychischen Ganzheit, in der sie handeln.

Da die Bilder der Mythologien notwendigerweise auf Physisches zurückgreifen, gehören sie scheinbar der Außenwelt an. Was in ihnen jedoch veranschaulicht wird, verweist auf Metaphysisches, das heißt immer auf die Innenwelt. Ohne diese Bilder ist das sprachlich unfassbare innergeistige Empfinden nicht beschreibbar. Dass dieses Empfinden kollektiv war, – und immer noch ist – leitet sich aus den verschiedenen Regionen der Welt her, die, in ansonsten unterschiedlichen Mythologien, ausnahmslos Gottheiten verkünden. Ob sie beispielsweise Shiva, Kali, Amun, Horus, Thor oder Zeus heißen, sie alle sind Metaphern für geistige Wahrnehmungen, die lokal unterschiedlich benannt, gleichwohl kollektiv erfahren wurden.

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Mysticism and Truth

Speech by Gino Leineweber on March 14, 2010 in Islamabad, Pakistan, at the Conference on Sufism and Peace

We don’t know at which point curiosity developed within the human character of the modern Homo sapiens. Nevertheless, there came a time when mankind was no longer satisfied with the observable phenomena and started looking for answers. From that point on, man started to ask himself who he is, where he came from, and where he is going. He began looking for the reason “why?”. However, the answers were not to be found in the material realm, but in yet another, the spiritual one. Here he could find what he was looking for: the answer to his own insufficiency in life.
Freed from material boundaries, a superior reality is unveiled in this spiritual realm. An inner light reveals intimations about the function of being, and guides his glance towards divinity. From here he gains insights as to how the world is sustained. These insights are called mythology. There are myriad local descriptions that illustrate the mysteries of the universe and the play of nature, how the eyes observe, and the mind absorbs it. They seek to explain the laws of nature and the phenomenon of the universe, and to answer the questions about the origin of life.
Man’s perception is conceived in concrete terms, as images, and these images, because they are based on physical reality, are more readily imagined.
The meaning of the images, this metaphorical language, is to understand the inner mental condition, similar in a way to the interpretation of dreams. Therefore the divinity are portrayed as living beings and deemed everywhere as the recognition of the spiritual, as it penetrates the visible world. The images of the mythology are metaphors. The Swiss psychologist C. G. Jung called these mystical themes of the metaphors archetypes of the collective unconscious. According to this idea, myths and dreams originate from a single psychophysical source, the human imagination, and spring from the conflicting urges of the organs of the human body, especially the brain.
As C. G. Jung explains, that pictorial procedure, which arises from within us, is realized on the so-called subject level. That means that beings don’t exist singly as individuals, whether they be gods, human beings, animals, or mythical creatures. They are only the personalized sub-function of the greater psychic wholeness, within which they act.
Because the images of the mythologies necessarily refer to the physical, it seems that they belong to the outside world. What is described, however, refers to the metaphysical, which means that they spring from the inner world. That intangible inner sentiment is indescribable without those images. That this experience was collective, and always will be, originates from different regions of the world. These regional mythologies all pronounce their divinities, although they call them by various names. Whether they called them Shiva, Kali, Amun, Horus, Thor or Zeus, they are all metaphors for mental perceptions. They are known by different names but are collectively experienced nonetheless.

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Der internationale Literaturklub „La Bohemina“

Text der Eröffnungsrede von Gino Leineweber zu einer Preisverleihung im Jahre 2009

Im September 1988 wurde in Hamburg der erste internationale Literaturclub Deutschlands gegründet. Er hat das Ziel, Literatur allgemein und internationale literarische Begegnungen im besondern zu fördern und erhielt den sinnreichen Namen „La Bohemina“.

Dieser Name verdeutlicht die enge Beziehung zur Gründerin des Clubs, der deutsch-bosnischen Autorin Emina Kamber, die Lyrik, Prosa, Filmreportagen und Dokumentationen in Deutschland, Italien, England und in den USA veröffentlicht hat, wodurch sie international bekannt wurde und mehrere Preise erhielt, Sie ist außerdem Dozentin für Literatur und Kunst und im Ehrenamt 2. Vorsitzende des Hamburger Schriftstellerverbandes (VS). 1997 wurde sie für ihre kulturellen Aktivitäten und für ihr außerordentliches Engagement für die unter der Kriegsnot leidenden bosnischen Bevölkerung mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Neben ihrer Mitgliedschaft in verschiedenen anderen literarischen Vereinigungen kann ich als Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung mit Stolz darauf hinweisen, dass sie auch bei uns Mitglied ist, und das bereits seit über 20 Jahren. Der internationale Literaturclub „La Bohemina“ ist offen für Autorinnen und Autoren sowie literaturinteressierte Menschen aus allen Ländern Europas. Sein Ziel ist die Internationalisierung des literarischen Schaffens unter dem Gedanken eines verbundenen, friedlichen Europas. Die Kultur allgemein, so auch die Literatur, soll als völkerverbindendes Element wirken und Humanismus, Frieden und Gerechtigkeit fördern. Der Kultur, und gerade auch der Literatur, kommt es zu, Brücken zu schlagen zwischen Menschen, Völkern und Rassen.

Brücken aber auch zwischen östlichen und westlichen Kulturen, und gerade dafür steht ein besonderes Bauwerk symbolisch in der Heimat von Emina Kamber, Stari Most, die Brücke von Mostar über die Neretva, an der wir alle in bedrückender Weise erleben konnten, was passiert, wenn die Kultur, die Literatur nicht mehr gehört wird. Deswegen sind Begegnungen der Literaten vieler Länder, mit sich selbst und mit der Öffentlichkeit, bei Lesungen und Seminaren wichtig, und diesem Ziel widmet sich der Internationale Literaturclub „La Bohemina“.

Angesiedelt in der multikulturellen und weltoffenen Freien und Hansestadt Hamburg, ist er eine offene Begegnungsstätte für humanistische Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie literaturinteressierte Menschen aus allen Ländern Europas. Ich selbst durfte bereits mit einigen Kollegen/innen, die heute teilweise auch hier anwesend sind, davon profitieren, und denke gern an die Zeit unseres Aufenthalts auf der Halbinsel Peljesac zurück, bei dem die Grundlagen für die Anthologie „...und Bosnien nicht zu vergessen“ geschaffen wurden.

Der Literaturclub „La Bohemina“ verleiht alle zwei Jahre für hervorragende literarische Arbeiten auf dem Gebiet der Lyrik einen Preis in Form einer Skulptur, die den Namen „Poetessa“ trägt. Sie stellt eine lesende Frau dar und ist zugleich Sinnfigur des Internationalen Literaturclubs.
Die Figur ist eine Arbeit der bosnischen Autorin und Malerin Mirjana Lesic. Während des Bosnienkrieges war sie nach Hamburg geflüchtet, wo sie in einem einzigen Raum mit Ehemann und zwei Söhnen lebte. Kaum zu glauben, aber in diesem Raum entstand die Plastik, die eine lesende junge Frau darstellt.
Die Figur entstand auf Bitten Emina Kambers, die sie in Liebe und zur Ehrung ihres zu früh verstorbenen Mannes auf dessen Grabstätte auf dem muslimischen Friedhof in Hamburg aufstellen ließ. Drei Tage nach der Aufstellung wurde die Figur von Unbekannten zerschlagen und der Friedhof geschändet.
Der Hass, der darin zum Ausdruck kam, wurde von Emina Kamber nicht nur nicht erwidert. Vielmehr nahm sie dieses frevelhafte Verhalten zum Anlass aus der Figur, ihrem einstigen Sinnbild der Liebe, ein Sinnbild des friedvollen Miteinanders und der wahrhaften Humanität zu schaffen, indem sie sie in kleinem Format nachschaffen ließ und ab dem Jahre 2000 eine Kopie davon an Autoren/innen als Preis für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Lyrik verleiht. Auf diese Weise überwand sie Gewalt und Hass, und schuf ein neues Symbol der Kultur.

In diesem Jahr geht der Preis an den bosnischen Autor und Verleger Simo Esic.


Die Bedeutung des Vesak Festes im Buddhismus

Rede von Gino Leineweber zum Vesak-Fest 2009 des Buddhistischen Vihara Hamburg e.V.
am 1. Mai 2009

Der Feiertag erinnert an die Geburt, Erleuchtung und das Eingehen in die Vollkommene Befreiung von Buddha Shakyamuni vor mehr als 2550 Jahren in Nordindien.
In den buddhistischen Ländern Asiens ist das Vesak-Fest das größte und bedeutendste Ereignis des Jahres und wird seit Jahrhunderten jeweils in der Zeit nach dem ersten Maivollmond begangen. Der volle Mond symbolisiert Buddhas Erleuchtung.

Man nimmt an, dass Siddharta Gautama, so der eigentliche Name des Buddha, an einem Vollmondtag im Mai des Jahres 623 v. Chr. geboren wurde. Sein Vater war König Suddhodana. Seine Mutter, die Königin, starb wenige Tage nach der Geburt und so wurde Gautama von einer Pflegemutter aufgezogen. Mit 16 Jahren heiratete er seine Kusine, die schöne Prinzessin Jaschodhara. Nach seiner Heirat führte er fast 13 Jahre ein luxuriöses Leben in seliger Unwissenheit über die Schicksalsschläge, die die Menschen außerhalb der Palasttore zu erdulden hatten. Im Laufe der Zeit wurde ihm allerdings die Realität immer mehr bewusst. Sein 29. Lebensjahr, in dem sein Sohn Rahula geboren wurde, sollte zum Wendepunkt in seinem Leben werden.

Siddharta sah zum ersten Mal in seinem Leben einen Kranken, einen Greis und einen Toten. Diese Erfahrung ließ in ihm die quälende Frage über den Sinn des Lebens aufsteigen: Wird der Mensch nur geboren, um zu leiden, alt zu werden und zu sterben? Es wurde ihm klar, dass das Leid allgegenwärtig ist. Das gab ihm den Anstoß, seine Familie, seinen Besitz und seinen königlichen Namen aufzugeben. Er entschloss sich, für die universelle Krankheit der Menschheit ein Allheilmittel zu finden, und verließ eines Nachts sein Zuhause, schnitt sich das Haar ab, zog sich das einfache Gewand eines Asketen an und ging auf die Suche nach der Wahrheit.

Die folgenden sechs Jahre brachte er bei verschiedenen Gurus zu, von denen er sich eine Antwort erhoffte, jedoch ohne Erfolg. In den Erzählungen heißt es, dass er sich der Meditation hingab, fastete, Yoga betrieb und sich in strengster Askese übte. Trotzdem fand er keinen inneren Frieden und erlangte keine Erleuchtung.
  Schließlich kam er zu der Erkenntnis, dass strenge Askese ebenso nutzlos war wie das von ihm zuvor geführte Leben in Überfluss. Jetzt verfolgte er den "Mittleren Weg", wie er ihn nannte, und mied sowohl die eine als auch die andere extreme Lebensweise. Er war überzeugt, dass es eine Antwort auf seine Frage gab, dass er sie aber nur durch Meditation finden konnte.
Deshalb ließ er sich unter einem indischen Feigenbaum nieder und gab sich der Meditation hin und setzte sie beharrlich fort, bis er alle Erkenntnis und alles Verständnis überschritten hatte. Dann gelangte er zur Erleuchtung.
Auf diese Weise wurde Gautama gemäß buddhistischer Terminologie zum Buddha oder Erleuchteten. Er hatte das endgültige Ziel erreicht, einen Zustand vollkommenen Friedens und der Erleuchtung, frei von Begierde und Leiden.

Mit seiner Erleuchtung verwirklichte er die Einsicht in die relative und die absolute Wahrheit aller Erscheinungen. Er sah, wie sich auf relativer Ebene Glück und Leid im Leben der Wesen abwechseln. Obwohl alle nach dauerhafter Erfüllung suchen, gelingt es doch keinem, diese zu erlangen. Gleichzeitig sah er aus absoluter Sicht, wie allen Wesen der Zustand eines Buddha als zeitloser Ausdruck des eigenen Geistes innewohnt. Dies veranlasste ihn zu der Aussage: "Sie sind alle Buddha, doch sie wissen es nicht." Aus Unwissenheit erleben die Wesen Leid, obwohl die Natur ihres Geistes zeitlose höchste Freude ist.

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Zum 80. Geburtstag von Walter Kempowski

Auszug aus der Rede zur Feierstunde des 80. Geburtstags von Walter Kempowski am 29. April 2009

Heute wäre unser Schriftstellerkollege und -freund Walter Kempowski 80 Jahre alt geworden.

Er verstarb früher, zu früh für uns.
Wir hätten diese Feierstunde gern noch mit ihm erlebt. Das Schicksal nahm einen anderen Weg.
So gedenken wir heute anlässlich seines Geburtstages eines Schriftstellers, den Helmut Karasek als einen der bedeutendsten der Nachkriegszeit beschrieb. Karasek erhob Kempowski in einem Nachruf nach dessen Tod am 5. Oktober 2007 sogar zum bedeutendsten. Mit dieser Singulärposition wäre Walter Kempowski in seiner Bescheidenheit vermutlich nicht einverstanden gewesen. Aber in der späten Anerkennung mit Höchstnote hätte Kempowski einen ebenso späten Akt der Wiedergutmachung eines lange Zeit nicht gewürdigten Autors gesehen. Mit dem Zeichen der Genugtuung wäre Walter Kempowski mit Sicherheit einverstanden gewesen. Uns ist seine Klage noch im Ohr: Sie – gemeint war das „Feuilleton“ - könnten ihn ruhig kritisieren, sie könnten sein Werk ablehnen. Dass Sie ihn aber nicht wahrnehmen, als ob es ihn nicht gäbe, sei unerhört. den letzten Jahren konnte Kempowski noch erleben als ein allseits, insbesondere bei der Jugend, geschätzter Autor, anerkannt zu sein. Nebenbei: In den 70er Jahren war die Wirkung seines Stoffes auf ein breites Publikum schon zu erleben. In den beiden grandiosen mehrteiligen TV-Filmen, in der Verfilmung seiner Bücher „Tadellöser & Wolf“ und „Ein Kapitel für sich“, zeigte Eberhart Fechner welches Potential das Drehbuch aus der Literaturvorlage zog.

Walter Kempowski war Mitglied der Hamburger Autorenvereinigung (HAV), die ihn 2004, anlässlich seines 75. Geburtstags zu ihrem Ehrenmitglied ernannte. Besonders hervorheben möchte ich, als Vorsitzender der HAV, dass uns mit Walter Kempowski nicht nur seine langjährige Mitgliedschaft in unserer Vereinigung verbindet, sondern wir auch über seinen Tod hinaus mit ihm in einzigartiger Weise verbunden bleiben: durch den Walter Kempowski Literaturpreis, der mit 10.000 Euro dotiert ist und alle zwei Jahre von uns vergeben wird. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit ihm, der schon schwer erkrankt war, über diesen Preis sprach und er spontan und gern meiner Bitte folgte, seinen Namen zu diesem Wettbewerbspreis zu geben.

Für unsere Akten schickte er mir kurz darauf eine Postkarte, mit der er in kurzen Worten unsere Vereinbarung bestätigte. Ich war ob dieser Geste seinerzeit sehr gerührt. Die Hamburger Autorenvereinigung ist sich bewusst, dass dieser Preis nun ein großes Vermächtnis für sie und den von ihr geförderten Literaturnachwuchs ist. Kempowski wollte mit uns ein Zeichen für den schriftstellerischen Nachwuchs setzen. Ein Zeichen der Hoffnung für die Pflege und Entwicklung der Literatur in Deutschland.
Wir haben früher viele Veranstaltungen mit Walter Kempowski durchgeführt, häufig gemeinsam mit der Freien Akademie Hamburg. Deshalb war es auch keine Frage, als Armin Sandig, der Präsident der Akademie, mich ansprach, zum 80. Geburtstag eine Gedenkveranstaltung durchzuführen. Wir wussten zwar, dass es eine große zentrale Veranstaltung in Rostock geben würde, bei der auch seine Witwe, Hildegard Kempowski, ihr Erscheinen bereits zugesagt hatte. Aber wir sagten uns, dass für einen so großartigen Schriftsteller wie Kempowski, mit seiner besonderen Verbindung zu Hamburg, dieser Tag nicht unerwähnt durchgehen darf. Gerade auch der Walter Kempowski Literaturpreis, der hier in Hamburg vergeben wird, zeigt noch einmal seine Verbundenheit zu unserer Stadt, in die es ihn nach seiner Entlassung aus Bautzen verschlug, obwohl sie der Ort war, in dem sein Antrag auf Anerkennung als politischer Häftling nicht anerkennt wurde. Insofern war die Mitgliedschaft in der Hamburger Autorenvereinigung und die Zustimmung zur Schmückung eines aus Hamburg stammenden Literaturpreises mit seinem Namen ein generöses Signal an diese Stadt.

The unbearable State Secretary

This Essay was published first in German language in “Denk ich an Hamburg” (Hrsg. Rosemarie Fiedler-Winter) Vlg. Langen Müller, 2004

My story is about a man, a Doctor of Law, public servants of integrity and beautiful spiritual friend of the arts. This man of the law had to face a situation he never would have imagined it could be happen to him, as it was set by the law he served to.

It is the year 1933. At the end of March, the German parliament, passed an Enabling Law. This takes from the members of parliament the capacity of legislation power, their right to control the budget and they are no longer entitled to approve treaties with foreign states. All the constitutional rights of personal and civil liberties are suspended.

Almost a month before, in February, twenty-seven, the Reichstag, the parliament building, was set on fire. For that crime, that allegedly was caused by themselves as an act of provocation, the Nazis blamed the Communists. In response to it, the German President, Hindenburg, set a decree in motion, called "zum Schutz von Volk und Vaterland“ (for safety of citizens and homeland).
After not only two months, after Hitler came to power, he has all instruments to establish his dictatorship. He now can eliminate all the powerful institutions of Germany, one by one. The unions are broken in May, the political parties, except the Nazi Party, dissolved or prohibited, vanished until the end of June. The totalitarian one-party state is legitimized on July, fourteenth, in the German Law Gazette.

Leo Lippmann, the man I am telling about, who was born in Hamburg in 1881, entered on the tenth of October in 1906 as Head of Unit in the service of the Treasury Ministry. I call him a hero, even when to save life during the World War I was his duty. In circumstances of hunger and necessity he was the Speaker of the Commission for war supplies. As such he provided the families of Hamburg a significantly better situation than it was in other major cities of Germany. Inevitably, in 1920, he was appointed secretary of the Senate and a year later, after a new Hamburg constitution, the first State Secretary of the Treasurer Ministry. He had reached the top level of the career ladder; hierarchically over him towered alone the government of the state, the Senate.

If you want to read the whole story please send an E-mail to info@gino-leineweber.de.

Warum will uns der Dalai Lama nicht?

Vom 21. bis 27. Juli 2007 wird der Dalai Lama Hamburg besuchen. In einem Spiegel-Interview sagte er, die Menschen mit christlichem Hintergrund sollen besser bei ihren Wurzeln bleiben. Eine Bemerkung dazu gibt der folgende Beitrag.

Hamburg freut sich auf den Besuch des Dalai Lama, und es darf vorausgesetzt werden, besonders die hier lebenden Buddhisten aller Traditionen. Ich auch.
Unter dem Moto Frieden lernen wird er am Wochenende (21./22.7) Vorträge zu diesem Thema halten. Vom 23. bis 27. Juli erläutert Seiner Heiligkeit Belehrungen über Buddhistische Philosophie und Praxis: Aryadevas 400 Versei.
Die Buddhistische Gesellschaft Hamburg (BGH) wird, gemeinsam mit dem „Haus der Stille“, Roseburg, während des Besuchs mit einem Informationsstand auf sich aufmerksam machen. Ich selbst habe die große Ehre und Freude, die begleitende Ausstellung buddhistischer Thankas und Statuen zu eröffnen (siehe dazu unser Interview mit Manoj Rauniar Seite....)
Das Magazin DER SPIEGEL hat in seiner Aussage 13/2007 ein Interview gegeben, über die Faszination des Buddhismus, sein schwieriges Verhältnis zum Chinas KP-Chefs und die Chancen, im Exil über seine Nachfolge zu entscheiden. Gleich zu Anfang des Interviews macht er deutlich, dass es ihm gar nicht so recht ist, dass in Europa und den USA immer mehr Menschen Buddhisten werden sollen, und begründet das folgendermaßen: „Es ist besser, wenn jeder Mensch seiner eigenen Tradition folgt. Sie im Westen haben einen jüdisch-christlichen Hintergrund, es ist besser, wenn Sie bei Ihren Wurzeln bleiben.“
Wie bitte?, dachte ich. Der Dalai Lama ist eine spirituell und intellektuell herausragende Persönlichkeit unserer Zeit. Sollte er glauben, die Lehre des Buddha sei nicht für alle Menschen geschaffen? Kann es sein, das Ziel der Leidvermeidung, die Vier Edlen Wahrheiten, gäbe es nur für Menschen, die den mythologisch-religiösen Hintergrund des Fernen Ostens haben? Das würde mich sehr wundern. Was aber ist der Grund für diese nicht überraschende Aussage, die ich in der Tat schon früher von ihm gehört habe? Es könnte sein, dass er den jüdisch-christlichen Hintergrund allein in seiner Bildhaftigkeit versteht. Den Sündenfall als Metapher für den Verlust der Reinheit, die eine Variante der überall bekannten „Trennung von Himmel und Erde“ ist, und mit der dargestellt wird, dass der Mensch das Bewusstsein für das ewige Leben verloren hat und nunmehr sein Verstand und Geist in der Welt des Vorstellungen gefangen ist. Die Metapher der Erlösung mit dem Erscheinen des Heilands, im Christentum durch die Geburt Jesu Christi, verweist darauf, dass den Menschen das intuitive Wissen um die Identität der Zeit und ihrer Eigenschaften einerseits und dem ewigen Leben andererseits wiedergegeben wird. Auch die Schöpfungsgeschichte und damit der Schöpfer, Gott, wird ebenfalls metaphorisch gemeint sein. Das der Dalai Lama das so meint, könnte sein.
Dann hätte er allerdings übersehen oder wahrscheinlicher, bei uns Menschen mit jüdisch-christlichem Hintergrund, vorausgesetzt, es würde dort ebenfalls als Metapher verstanden. Das wäre dann auf einer intellektuellen Ebene nachvollziehbar, übersieht aber die Wirklichkeit, die, im jüdisch-christlichen Weltbild, den Metaphern Realität verleiht, und beispielsweise in Gott eine klar umrissene Gestalt sieht. Dies lässt aus meiner Sicht allerdings keinen Vergleich mehr mit der Lehre des Buddha zu, und wenn ich mich der einen Auffassung zuneige, was heißt, Buddhist sein will, dann nur noch Christ sein kann, wenn ich reale Betrachtungsweisen, wie der Erschaffung der Welt, wieder durch das ersetze, was sie ursprünglich war, nämlich erklärende Bilder für spirituelle Wahrheiten, die anders nicht zu erfassen sind.
Den Dalai Lama, den ich vorstehend als spirituell und intellektuell bezeichnet habe, ist aber auch noch etwas anderes, nämlich friedvoll. Mit seiner Äußerung könnte er deshalb vermeiden wollen, im Westen einen Eindruck von „Missionierung“ zu erwecken. Jeder, der mit der Lehre des Buddha vertraut ist, wird wissen, dass das Wort „Missionierung“ im Dhamma keine Platz hat. Aber das wissen diejenigen, die im Westen das wachsende Interesse am Buddhismus argwöhnisch verfolgen, nicht unbedingt.
Das kann ich mir, bei der sanften und friedvollen Art, die der Dalai Lama vermittelt, noch am besten vorstellen, zumal er davon ausgehen kann, dass diejenigen, die die Lehre des Buddha für sich entdeckt haben, ihn durchschauen, wissen Sie doch, dass Teil des Dhamma das „Loslassen“ ist. Bei seinen „Wurzeln (zu) bleiben“, würde eher der Aufforderung nach „Anhaftung“ entsprechen. Wie auch immer, genau wissen werden wir es nicht, was der Dalai Lama meinte oder warum er das sagte. Aber vielleicht läuft er mir in Hamburg über den Weg, und ich könnte ihn direkt danach fragen... Wäre doch schön.


Kraft der Ruhe

Rahmenveranstaltung anlässlich des Besuchs des DALAI LAMA in Hamburg 2007

AUSSTELLUNG BUDDHISTISCHER STATUEN UND THANGKAS
KOORDINATOR Manoj Rauniar, Nicole Doods-Rauniar TIBETAN LAMA ART, Hamburg

Eröffnungsrede von Gino Leineweber

Mit Hilfe der in der Ausstellung ausgewählten Exponate möchten wir Ihnen einen Einblick in die Vielfalt der buddhistischen Bilderwelt ermöglichen.

Im Buddhismus sind umfangreiche Lehren in Bezug auf Philosophie und religiöse Praxis entwickelt worden und vieles davon wurde in symbolischer und personalisierter Gestalt versinnbildlicht, sodass sich ein Pantheon an Darstellungen buddhistischer Werte entwickelt hat.

Wir wollen Ihnen hier einige Aspekte dieses Pantheons näher vorstellen und haben uns in der Ausstellung schwerpunktmäßig auf sechs Kategorien der buddhistischen Wesenheiten konzentriert, die da wären:

1. Buddhas
2. Dhyani Buddhas
3. Adibuddhas
4. Bodhisattvas
5. Dharmapalas
6. Lehrer

Wir haben Repräsentanten der einzelnen Kategorien ausgewählt und ihre Erkennungsmerkmale erläutert, so dass Ihnen durch visuelle Wahrnehmung die Zuordnung einzelner Objekte zu den Gruppierungen verständlich wird.

Über die Geschichte ...
Ursprünglich in Nordindien im 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden, verbreitete sich der Buddhismus in den ersten 1000 Jahren seines Bestehens in Sri Lanka, China, Südostasien, Japan und Tibet.
Der tibetische Buddhismus ist durch die Summe der religionsgeschichtlichen Entwicklungen innerhalb des Buddhismus geprägt worden und hat erst etwa fünfzehn Jahrhunderte nach Buddha seine eigenständige und spezifische Form erlangt.

Der Buddhismus stellt sich in seinen unterschiedlichen Ausprägungen durch ein opulentes und mannigfaltiges künstlerisches Werk an Kultplastiken und Gemälden bildhaft dar.
Die Statuen und Thangkas ( Rollbilder aus Stoff ) sind Träger einer umfassenden Symbolik, die über den rein künstlerischen Aspekt weit hinausgeht. Für den praktizierenden Buddhisten stellen die Statuen und Rollbilder Aspekte der Erleuchtung dar und dienen als Hilfsmittel bei der Meditation. Ihre Bedeutung liegt in der Unterstützung des Glaubens, denn sie fördern das Streben nach jenen Eigenschaften, die in den Bildern dargestellt werden. Es werden in ihnen festgelegte Aussagen der buddhistischen Lehre vermittelt. Die Bilder sind somit symbolische Ausdrucksformen für geistige Inhalte.

So wie man in der christlichen Lehre die imitatio die als eine Nachahmung der Tugenden Gottes verstand, so können wir im Buddhismus von dem meditativen Vorgang einer imitatio virtutis sprechen, bei der geistige Werte und Tugenden durch Identifikation mit dem Abbild im Bewusstsein erzeugt und assimiliert werden sollen.

Bei der Herstellung der Statuen und Thangkas muss sich der Künstler deshalb genau an die in den alten buddhistischen Texten festgelegte Ikonographie und Ikonometrie halten, um ein unverfälschtes bildliches Synonym für die spirituelle Botschaft zu schaffen. So ist die Haltung der Hände bei Darstellungen beispielsweise streng kodifiziert. Die Hände vollführen Gesten, Mudras genannt, die eine symbolische Bedeutung bergen, die gewahrt werden muss. Bei seiner Arbeit bleibt dem Künstler daher so gut wie kein Spielraum für Zufälligkeiten oder künstlerische Kreativität. Daher bleiben die Statuen und Thangkas vom Künstler auch immer unsigniert.

Da die Herstellung von Statuen und Thangkas als religiöse Handlung gesehen wird, erwirbt sich der Künstler mit seiner Arbeit große spirituelle Verdienste. Der Auftraggeber oder Käufer seinerseits, erhofft für sich und seine Familie eine positive Beeinflussung seines karmischen Loses, indem er ein solches Kultobjekt einem Tempel oder Kloster stiftet oder auf seinem privaten Altar verehrt.

Auf den Betrachter üben die Statuen und Thangkas aber auch ohne zusätzliches Hintergrundwissen, wegen ihrer Harmonie in der Komposition von Proportionen und Formen, eine große Anziehungskraft aus.

Wir hoffen, dass Sie für sie eine Quelle der Inspiration, der Ruhe und der Kraft sind.

"Es ist die Aufgabe jeder Generation, sich mit der Gesellschaft
aus- einander zu setzen"

Interview mit Gino Leineweber von der Hamburger Autorenvereinigung, 21.05.2006

Gino, du bist gebürtiger Hamburger, Jahrgang 1944, Schriftsteller und seit 2003 erster Vorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung (http://www.hamburger-autorenvereinigung.de ). Zugleich bist du Deputierter der Hamburger Kulturbehörde und im Vorstand der Buddhistischen Gesellschaft Hamburg tätig. Wie bringst du alle diese Tätigkeiten unter einen Hut?

Das frage ich mich auch manchmal. Aber, mir machen alle Aufgaben viel Freude, sodass ich selbst bei Zeitengpässen, die ab und zu auftreten, niemals Stress empfinde. Außerdem habe ich mich organisatorisch optimal eingerichtet.

Bleibt dabei überhaupt noch Freiraum zum Schreiben?

Merkwürdigerweise ja. Das ist eine Frage der Organisation. Ich versuche pro Woche immer einige Tage einschl. des Wochenendes einzurichten, an denen ich keine Termine habe und auch keine anderen Arbeiten erledigen muss. Das gelingt zwar nicht immer, aber meistens. Seit einem Jahr beschäftige ich mich fast ausschließlich mit Lyrik. Diese Arbeit ist erheblich angenehmer; macht nicht so dizzy wie drei Stunden Prosa beispielsweise.

Was muss man sich unter der HHAV vorstellen? Wer kann hier Mitglied werden, und was bietet sie ihren Mitgliedern?

Die Hamburger Autorenvereinigung versteht sich, und da unterscheiden wir uns vielleicht von anderen Literaturvereinigungen, in erste Linie als Interessenvertreter ihrer Mitglieder. Sie ist die Heimat von über einhundert Hamburger Autorinnen und Autoren, von so bekannten wie Siegfried Lenz, Walter Kempowski, Günter Kunert oder Arno Surminski bis zu unbekannten, die vielleicht drei Lyrikbände, ohne große Resonanz, veröffentlicht haben. Wir sind offen für alle Art von Literatur. So finden sich bei uns auch Sachbuchautoren, Drehbuchautoren und Journalisten. Aufgenommen kann man werden, wenn man mindestens ein Buch veröffentlicht hat. Bei Drehbuchautoren muss das Drehbuch verfilmt sein und Journalisten müssen Artikel in renommierten Zeitschriften veröffentlichen. Unseren Mitgliedern bieten wir die Möglichkeit ihre Bücher bei uns vorzustellen. Außerdem gibt es Themenabende, an denen sie Kurzbeiträge (Prosa und Lyrik) vortragen können, die noch nicht veröffentlicht wurden. Wir werden von diesem Sommer ab ein vierteljährliches Mitteilungsblatt herausgeben, um damit die Kommunikation untereinander zu verstärken. Dort können alle Mitglieder auch eigene Veranstaltungen oder andere Aktivitäten bekannt machen. Wir werden zukünftig wieder verstärkt Workshops veranstalten und darüber berichten. Wir denken dabei an feste Termine zu bestimmten literarischen Themen (Krimischreiben, Lyrik, Drehbuchschreiben, Leseschulung etc.). Einmal im Jahr veranstalten wir eine literarische Reise, die uns schon in viele interessante Städte Europas geführt hat. Die letzte Reise ging nach Prag, und die nächste wird uns nach Triest führen.

Die HHAV vergibt den mit außerordentlichen 25.000 Euro dotierten Hannelore Greve Literaturpreis. Wie kam es dazu, welchem Ziel dient der Preis, und wie können Autoren sich hierfür qualifizieren?

In einem Gespräch mit der Hamburger Ehrenbürgerin und Mäzenin Hannelore Greve ergab sich ihr Wunsch, einen großzügig dotierten Literaturpreis zu stiften. Wir sind uns schnell einig geworden, dass der Preis durch unsere Vereinigung alle zwei Jahre verliehen wird. Was mich besonders erfreut hat war, dass Frau Greve ohne Zögern auch unserem Vorschlag gefolgt ist, neben dem großen Literaturpreis auch noch einen Förderpreis zu stiften. Der Hannelore-Greve-Literaturpreis wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiete der deutschsprachigen Literatur verliehen. Beim Förderpreis handelt es sich um einen Wettbewerbspreis, der ebenfalls alle zwei Jahre verliehen wird. Er ist mit 5.000 € dotiert. Der nächste Wettbewerb wird mit dem „fremd“ ausgeschrieben.

In wiefern arbeitet die HHAV mit anderen Hamburger Organisationen zusammen, also beispielsweise der Freien Akademie der Künste, dem Literaturhaus Hamburg, das die monatliche Broschüre "Literatur in Hamburg" herausgibt und der Hamburger Kulturbehörde?

Wir sind froh darüber, dass uns mit vielen Institutionen Hamburgs seit Jahren eine partnerschaftliche Zusammenarbeit verbindet. So veranstalten wir mit der Feien Akademie der Künste, der Katholischen Akademie, der Konrad Adenauer Stiftung und der Handwerkskammer, um die wesentlichen zu nennen, jährlich mehrere Lesungen. Selbstverständlich sind unsere Veranstaltungen auch immer in der Broschüre „Literatur in Hamburg“ vertreten.

Arbeitet die HHAV auch mit ähnlichen Organisationen anderer Städte in Deutschland oder mit ausländischen Organisationen zusammen?

Mit anderen Institutionen deutscher Städte nicht. Mit ausländischen ja. Durch unsere Auslandsreisen haben wir entsprechende Kontakte. Die führen dann auch zu Gegenbesuchen, so wie im letzten Jahr, als uns eine Delegation des PEN St. Petersburg besuchte.

Ist es in jedem Fall für Autoren sinnvoll, sich in der einen oder anderen Gruppierung zu organisieren? Es gibt Vereine wie Quo Vadis oder DeLiA, in denen sich Autoren historischer Romane bzw. Liebesroman-Autoren zusammengeschlossen haben. Brauchen Autoren diesen Austausch?

Ich halte das für wichtig. Obwohl ich, als ich mit dem Schreiben anfing, mir darüber keine Gedanken gemacht hatte. Aber durch meine Erfahrungen in der Hamburger Autorenvereinigung kann ich nur sagen, und das höre ich auch immer wieder von unseren Mitgliedern, wie belebend der Kontakt untereinander ist. Neben den offiziellen Gelegenheiten sieht man sich privat nach Veranstaltungen oder auf Mitgliederabenden. Man lernt sich kennen und kann Erfahrungen austauschen. Wenn ich heute Kollegen treffe und auf die Mitgliedschaft der Hamburger Autorenvereinigung anspreche, höre ich oft, dass sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht hatten oder aber ein anderes Bild von uns hatten. Eine meiner ersten Amtshandlungen war es, nachdem ich Vorsitzender geworden war, eine eigene Internetseite einzurichten. Auf dieser Seite sind beispielsweise alle Veranstaltungen der letzten 28 Jahre vermerkt, und auch sonst ist alles über uns zu erfahren und sie hilft sehr, uns nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern gerade auch bei den Kolleginnen und Kollegen, bekannt zu machen.

Du bist Mitglied des Verbandes Deutscher Schriftsteller ( http://www.verband-deutscher-schriftsteller.de/ ), der zur Verdi-Gewerkschaft gehört. Welchen Nutzen können Autoren aus so einer Mitgliedschaft ziehen?

Wie ich schon erwähnte, finde ich es wichtig, das die Autorinnen und Autoren sich organisieren. Ich empfinde den VS als eine gute Ergänzung zur Hamburger Autorenvereinigung. Während wir mit unseren Mitgliederaktivitäten in starkem Maße versuchen, die Öffentlichkeit zu erreichen, ist der VS wichtig für das, was wir auch brauchen: Unterstützung und Rat in Fragen, die häufig rechtlicher Natur sind, und zu denen sich eine Organisation wie die Hamburger Autorenvereinigung nicht äußern kann und darf. Der VS kann verbindliche Regelungen, z. B. für Vergütungen oder Vertragsangelegenheiten anbieten, kann Hinweis und Hilfestellungen geben, die das Verhältnis der einzelnen Autorinnen und Autoren zu anderen Institutionen betrifft.

Die Mitglieder der Hamburger Autorenvereinigung haben ein relativ hohes Durchschnittsalter. Kaum jemand ist jünger als 35. Woran liegt das?

Das liegt natürlich auch am demoskopischen Faktor unserer Gesellschaft, und daran, dass die Hamburger Autorenvereinigung in der Vergangenheit nicht so offensiv in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Seitdem ich Vorsitzender bin hat sich einiges geändert. Meine Vorstellungen trafen dabei auf die Vorstellungen meiner Vorstandskollegen und der Mitglieder, und es stellte sich heraus, dass sie übereinstimmten. Es bedurfte nur eines Anstoßes, wie das manchmal eben so ist, um etwas zu ändern. Wir haben durch unsere neue Ausrichtung nicht nur im Förderbereich, sondern auch, und ganz besonders im Bereich der Autorinnen und Autoren viele neue Mitglieder gewinnen können, und dabei auch viele jüngere. Wobei jung natürlich relativ ist. Ich bin ja auch noch irgendwie jung. Zwar nicht vom Lebensalter, aber ich widme mich dem Schreiben erst seit zehn Jahren. Unser jüngstes Mitglied ist zur Zeit 30 Jahre alt. Als ich Vorsitzender wurde, gab es wenige unter Fünfzig. Dass wir uns auch noch jüngeren Kolleginnen und Kollegen öffnen wollen, zeigt der Beschluss der letzten Mitgliederversammlung, nach dem der Vorstand ermächtigt ist, Autorinnen und Autoren, die jünger als 27 Jahre alt sind, beitragsfreie Mitgliedschaft zu ermöglichen.

Worin unterscheiden sich die Schriftsteller älterer und jüngerer Generationen aus deiner Sicht hauptsächlich, und welche Impulse können sie sich gegenseitig geben?

Was mich wirklich gewundert hat war, dass ich bei den jüngeren neuen Mitgliedern viel mehr Bereitschaft wahrgenommen habe, für die Hamburger Autorenvereinigung etwas zu tun. Das hat mich sehr gefreut. So wäre z. B. die Herausgabe einer Mitgliedszeitschrift ohne ein ehrenamtlich tätiges Redaktionsteam gar nicht möglich. Gerade in diesem Team sind ausschließlich neue und jüngere Mitglieder. Ich glaube auch, dass gerade die jüngeren Mitglieder noch viel mehr Interesse an Workshops haben, und ich hoffe, dass unsere Älteren, Erfahreneren ihren hoch geschätzten Beitrag dazu leisten. Wenn sich die Älteren mit ihrer Erfahrung einbringen und die Jüngeren mit ihrem Elan, dann kommt es zu einer Art Symbiose, von der jeder einzelne, aber auch die Hamburger Autorenvereinigung insgesamt profitiert.

Die HHAV unterscheidet bei ihren Autoren nicht zwischen Lyrikern, Literaten, Drehbuchschreiben oder Belletristikern, sondern hält sie alle unter einem Dach. Gibt es hier Tendenzen oder Muster über die Zeit oder die Generationen, die du beobachten kannst?

Ich sehe nicht, dass zwischen den Generationen große Unterschiede bestehen. Vielleicht gibt es bei den älteren mehr Lyrikerinnen und Lyriker . Das könnte aber auch daran liegen, dass es Lyrik im Literaturbetrieb schwer hat.

Sind die großen literarischen Themen alle schon behandelt, oder gibt es schlicht weniger Leidensdruck in den jungen Generationen? Weshalb scheint es wenig junge große Literatur zu geben? Oder täuscht dieser Eindruck?

Natürlich hat die ganze „Leidenszeit“ Drittes Reich, Krieg und Nachkriegszeit zu literarischer Auseinandersetzung geführt, und die Unermesslichkeit dieser Leidenszeit natürlich auch zu unermesslichen Werken. Und, wie man sieht, ist die literarische Aufarbeitung immer noch nicht zu Ende. Es ist die Aufgabe jeder Generation, sich mit der Gesellschaft auseinander zusetzen, und die Literaten sind diejenigen, die am berufensten dazu sind. Auch in der heutigen Zeit gibt es Dramen (Arbeitslosigkeit, Immigration, Abschiebungen, Gewalt und Verwahrlosung in der Familie, Hass gegen Ausländer etc.) und sie warten auf ihre Autoren.

Die HHAV nimmt nur veröffentliche Autoren auf. Aber bis dorthin ist es ja ein weiter Weg. Wie kann eine Autorenvereinigung ambitionierten Einsteigern bei diesen ersten Schritten helfen?

Wir haben aus dieser Erfahrung, dass es schwer ist, für jeden Einsteiger, einen Verlag zu finden, eine Kooperation mit Books on Demand (BoD) geschlossen. Danach erhalten unsere Mitglieder einen Rabatt auf die BoD-Preise, und wir werden die dort unter dem Label „Edition HAV“ erschienen Bücher auf einer Gemeinschaftsveranstaltung vorstellen. Für diejenigen, die noch gar nichts veröffentlicht haben bietet sich bei uns die Mitgliedschaft als Fördermitglied an, die dann mit der Buchveröffentlichung in eine ordentliche Mitgliedschaft umgewandelt wird.

Anders als in anderen Ländern wird das Handwerk des Schreibens an unseren Schulen und Universitäten nicht gelehrt. Bestenfalls wird man in Germanistik und Literaturgeschichte unterwiesen. Schreibworkshops gibt es nur durch private Initiativen. Gibt es aus deiner Sicht hier einen Handlungsbedarf?

Unbedingt. Schreibwettbewerbe sind nötig. Schon an den Schulen. In den USA gibt es an den Schulen solche Veranstaltungen. Dort kämpft jeder, der sich daran beteiligt um den ersten Preis. So sollte es auch hier sein. Es gibt auch in Hamburg an den Schulen eine ganze Menge Schreibwettbewerbe. Soviel, dass wir in Absprache mit dem zuständigen Mitarbeiter der Schulbehörde darauf verzichtet haben, einen weiteren zu installieren. Aber es gibt keinen, soviel ich weiß, der von der Schule selbst veranstaltet wird. Ich würde mir eine Tradition wünschen, an jeder Schule, bei der ein jährlich stattfindendes Ereignis ein Kurzgeschichten Wettbewerb ist.

Welche Talente und Qualitäten sollte ein Einsteiger mitbringen, der erfolgreich schreiben und publizieren möchte?

Er sollte schreiben können. Aber im Ernst: Dazu gehört natürlich Talent. Ohne das braucht man nicht anzufangen. Aber es gehört weiterhin dazu, dass man sich ausbildet. Du hast schon selbst darauf hingewiesen, dass dies viel zu selten an den Universitäten geschieht. Aber man kann sich die Technik des Schreibens auch selbst aneignen. Es gibt eine Reihe von erstklassigen Fachbüchern über das Schreiben, beginnend mit Aristoteles Poetik bis zu Ludwig Reiners Stilkunst. Hilfreich sind aber auch Kurse, die angeboten werden oder Workshops, wie wir sie anbieten.

Neben klassischen Verlagen bieten sich Einsteigern immer häufiger "Books On Demand" und Druckkostenzuschussverlage als Option an. Was hältst du von diesen Möglichkeiten?

Ich hatte ja schon auf die Zusammenarbeit zwischen BoD und uns hingewiesen und dabei auch darauf, welchen Vorteil diese Form der Veröffentlichung bietet. Aber es gibt nicht nur die Einsteiger, die keinen anderen Verlag finden. Es gibt auch Fälle, in denen die Verlage alte Auflagen nicht wieder neu herausbringen wollen, der Autor aber den Wunsch dazu hat. Oder Nischenprogramme, wie beispielsweise Novellen oder Lyrik. Wir hatten aber auch einen Autoren, der lieber über unserer Edition bei BoD veröffentlicht hat, als bei seinem Verlag, weil dieser ihm eine bestimmte Tendenz für einen Erfahrungsbericht vorschreiben wollte. Nicht so positiv sehe ich die Druckkostenzuschussverlage. Die sind in der Regel viel teuerer als die Herstellung bei BoD, und der Autor muss dort auch sehr viel eigene Arbeit leisten, um dem Buch zu einem Verkaufserfolg zu helfen.

Wenn du angehenden Schriftstellern einen guten Rat oder eine Weisheit mit auf den Weg geben könntest, was würdest du ihnen sagen?

Viel lesen, und zwar alles, und Mitglied bei der Hamburger Autorenvereinigung werden.

Gino, vielen Dank für das Gespräch!